In Potsdam ist derzeit eine Ausstellung über Wolfgang Joop zu sehen. SRF hat den 80-jährigen Designer zu einem Gespräch über Schönheit und das Altern getroffen.
SRF: Mit welchem Wort würden Sie selbst sich beschreiben?
Wolfgang Joop: Exzentriker.
Exzentriker werden nicht nur geliebt.
Ja, aber das war mir eigentlich egal.
«Wunderkind» heisst Ihre Marke. Waren Sie mehr Glücks- als Wunderkind?
Ein wenig Glück, aber vor allem Fleiss.
Sie leben wieder im einstigen Bauernhof ihres Grossvaters in Potsdam.
Das war immer mein Traum.
Geht es Ihnen besser denn je?
Das kann ich so nicht sagen. Man büsst auch vieles ein, mit dem man früher Furore gemacht hat. Aber jede Show muss irgendwann enden.
Das Altern bereitet Ihnen Probleme?
Ich bin noch sehr fit. Aber ich weiss einfach, dass die Zeit abläuft.
Konstantin Wecker denkt, dass letztlich Liebe das Wichtigste ist.
Gott sein Dank hat mich die Liebe inspiriert. All meine Werke haben viel mit Liebe und Zärtlichkeit zu tun – und auch Melancholie.
Wird Ihre Melancholie im Alter grösser?
Ich finde Melancholie etwas sehr Wichtiges. Man sollte grosszügig sein. Den Vergleich mit anderen kann man sich sparen. Überhaupt kann man sich vieles eigentlich sparen.
Vermissen Sie Ihre ausschweifenden Lebensphasen?
Nein, die habe ich ja gelebt. Es ist wie mit einem alten Kleid: Man kann es noch so oft bügeln, es bleibt alt.
Sie wurden nie zum Opfer der Modebranche.
Ich bin Sohn eines preussischen Bauern und habe diese Verbindung zu Erde und Natur. Ich verstehe, weshalb jemand zu ausschweifend lebt. Man fühlt sich dann mächtig, klug und schön. Aber wenn das verfliegt, kommt die kalte Luft durchs Fenster.
Sie sagen: «Heute darf man alles tun, aber diese Freiheit, alles zu dürfen, ist die Höchststrafe.»
Man muss sich ganz genau überlegen, was man von der Freiheit will. Viele wollen von zu Hause weg und kehren schnell wieder zurück.
Fehlt der Kampf gegen Widerstände?
Es fehlt auch der Feind, gegen den man arbeitet.
Was heisst heute Schönheit für Sie?
Wenn wahre Schönheit wie zum Beispiel eine Abendröte sichtbar wird, glaubt man auch wieder an den Frieden.
Was sollten Models ausser Schönheit noch mitbringen?
Eine Haltung – und Ausdrucksfähigkeit.
Machen Ihnen die globalen Krisen Angst?
Ich habe so lange gelebt, dass mir wohl nicht mehr viel passieren kann. Und sonst gehe ich halt einen Tag früher.
Würden Sie ihr Leben gern nochmals leben?
Nein, es war viel Arbeit und Investition. Und es wurde ja schon gelebt, wozu also nochmals?
Haben Sie unverwirklichte Träume?
Ich hoffe, dass man, wenn man gehen muss, nicht stolpern muss, sondern dass man glatt gehen kann.
Sind Sie noch auf der Suche nach etwas?
Nach was suche ich? Ich habe alles bekommen und hoffe nur, dass es noch ein wenig bleibt.
Sind überhaupt noch wirklich neue Trends möglich?
Irgendetwas wird immer Mode sein, da habe ich keine Angst.
Steht hinter Ihren vielen Lebensphasen auch ein wenig Trotz?
Nicht unbedingt. Ich wollte eigentlich geliebt werden. Jeder Mensch sucht nach bedingungsloser Liebe. Ich auch.
Christian Dior empfand die Mode immer als Rätsel. Sie auch?
Ich fand sie sehr verständlich.
Ist das Leben für Sie ein Rätsel geblieben?
Das Leben hat ein Prinzip: zum Schluss sind wir Kompost. So ist der Weg, den wir alle gehen müssen. Deswegen sollte man sich täglich freuen, dass man als Existenz in seinem derzeitigen Leben leben darf.
Das Gespräch führte Urs Gredig.
 
            