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Konstantin Wecker im Interview «Ich wollte mein Leid mit Drogen und Vergnügungen wegzaubern»

Konstantin Wecker kennt Exzesse und Niederlagen. Doch seinen Mut und die Standhaftigkeit hat der 78-Jährige nie verloren.

Musiker, Autor, Aktivist und Pazifist: «Er ist ein Überangebot an Mensch – er hat von allem etwas zu viel», sagte einst Kabarettist Dieter Hildebrandt über Konstantin Wecker.

Konstantin Wecker

Liedermacher

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Der 1947 in München geborene Konstantin Wecker ist ein bedeutender deutscher Liedermacher, Komponist, Schauspieler und Autor. Seit den 1970ern prägt er die Kleinkunstszene mit seinen melancholischen und zugleich kämpferischen Liedern. Sein Werk ist tief politisch und linksliberal geprägt, oft kritisiert er Rechtsextremismus und setzt sich für Pazifismus ein. Trotz persönlicher Höhen und Tiefen sowie Drogenabhängigkeit blieb er stets eine unermüdliche Stimme gegen Ungerechtigkeit und für eine herrschaftsfreie Utopie.

SRF: Sie seien von allem etwas zu viel – stimmt das?

Konstantin Wecker: Ja.

Haben Sie von etwas zu wenig?

Ich hatte früher zu wenig an kritischer Einsicht. Gott sei Dank waren meine Lieder immer klüger als ich. Mit 12 begann ich zu dichten, und einige der damaligen Gedichte sind erstaunlich weise. Poesie greift auf Tiefen des Wesens zu, die einem mit dem Verstand verwehrt sind.

Sie waren quasi Ihrer Zeit voraus?

Als junger, eitler Macho waren meine Lieder bereits beseelt von feministischer Machtkritik. Doch erst nach Jahrzehnten wurde aus dem blöden Macho wirklich ein bekennender Feminist.

Ihr Vater nannte Sie einen Denker, der Musik macht. Als was sehen Sie sich?

Als jemanden, der unglaublich viel Glück hatte. Ich hatte einen antiautoritären Vater in einer Zeit, als meine Kollegen zu Hause verprügelt wurden. Und mein Vater war Antifaschist.

Und das in einer Zeit, als viele noch Alt-Nazis waren.

Fast alle meine Lehrer an der Volksschule waren Ex-Nazis.

Vermissen Sie Ihren Vater mit dem Alter stärker?

Ja. Es wird einem im Alter erst bewusst, was für ein Glück es war. Mein Vater war als sehr guter Tenor auch schuld an meiner Musikalität.

Sie haben zu Hause zusammen gesungen?

Bis zu meinem Stimmbruch sangen wir die schönsten Liebesduette der italienischen Romantik (lacht).

Sie waren stets auch ein Suchender. Haben Sie das Gesuchte gefunden?

Nicht wirklich.

Was wäre es?

Das weiss ich eben nicht! Vielleicht das Wunderbare. Wahrscheinlich ist das Wunderbare, wie wir tief in uns erkennen, dass wir alle eins sind. Es gibt keinen Rassismus, keine Unterschiede – nur Mitgefühl.

Stört es Sie, als naiv zu gelten?

Ich bin bekennender Utopist und finde es wichtig, Träume auch zu leben. Wir sollten nicht dauernd einen Sieg vor Augen haben, sondern etwas machen – jeder in seinem Bereich.

Wie verteidigen Sie Pazifismus angesichts des Ukrainekriegs?

Wir sollten die unterstützen, die den Mut haben, zu desertieren und Widerstand gewaltfrei zu leisten. Gewaltfreien Widerstand gab es schon immer – und er wurde immer als Spinnerei abgetan.

Worauf hoffen Sie?

Meine endgültige Hoffnung ist eine herrschaftsfreie, liebevolle Gesellschaft.

Ist Kunst immer mit Schwermut und Weltschmerz verbunden?

Das sind wichtige Antriebe, um in sich zu gehen und nicht die Schuld im Aussen zu suchen. Wir brauchen Schwermut, um uns kennenzulernen.

Haben Sie viel gelitten in Ihrem Leben?

Natürlich. Und ich wollte das Leid mit allen möglichen Drogen und Vergnügungen wegzaubern – aber das klappt nicht.

Sie waren jahrelang kokain- und alkoholsüchtig. Hat das Ihre Kreativität verändert?

Eine neurologisch noch immer nicht ganz klare Erkrankung hat meine Kreativität verändert. Ich kann leider nicht mehr Klavier spielen und somit auch nicht mehr komponieren.

Wie sehen Sie dem Tod entgegen?

Neugierig (lacht). Und ich frage mich, was dann passiert.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Eigentlich nicht. Ich hatte einige Nahtoderfahrungen. Vor 50 Jahren bin ich im Suff absichtlich gegen einen Baum gefahren, um zu sehen, ob mich die Götter noch lieben.

Sind Sie versöhnt mit sich?

Je mehr ich zurückblicke, um so dankbarer werde ich. Heute weiss ich: All meine Melodien und Texte habe nicht ich geschrieben – sie wurden mir geschenkt.

Das Gespräch führte Urs Gredig.

SRF 1, 16.10.2025, 22:25 Uhr ; 

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