Ein Clown ist eine Figur ohne Alter. Ein ewiges Kind und zugleich ein Weiser in der Praxis des Scheiterns. Vieles davon trifft auf Ueli Bichsel zu. Dennoch reicht ihm die Definition als Clown nicht, weil der gesellschaftliche Anspruch lautet, lustig sein zu müssen.
«Wenn ich zu Besuch bin, erwartet man von mir etwas Lustiges. Da fühle ich mich nicht mehr ernst genommen», erklärt der 64-Jährige und fügt hinzu, dass man den Sanitärinstallateur, den man zum Essen eingeladen hat, auch nicht ins Bad schicke, weil der Wasserhahn tropft.
«Mit dem Begriff Clown muss man vorsichtig sein»
Ueli Bichsels komisches Talent ist unbestritten. Unvergessen jene Nummer, in der er von seinem langjährigen Compagnon Marcel Joller Kunz in einem Kühlschrank auf die Bühne geschoben wird. «Es war einfach mal eine Idee – und zugleich eine tragische Grundsituation wie bei Beckett», erzählt Ueli Bichsel.
Die Kühlschranknummer wurde zum Hit und führte dazu, dass er im Zirkustheater Federlos als Clown auftrat. Die Figur des Clowns hält er für komplex, abgründig und facettenreich. «Mit dem Begriff muss man vorsichtig sein, es gibt so viele Ausführungen, mit roter Nase und ohne, Solo oder Duo.»
Abtauchen in eine magische Welt
Ueli Bichsel hat seine eigene Bühnenfigur geschaffen, ein herrlich skurriler Schrägvogel, der durch seine besondere Art die existentiellen Themen des Lebens berührt. Was hält er von den in politisch unruhigen Zeiten auf allen Kanälen präsenten Comedians?
«Ich interessiere mich nicht dafür, das hat aber nichts mit der Leistung dieser Menschen zu tun. Die sind wortgewandt und die Texte teilweise toll konstruiert. Was mit da fehlt, ist die Ruhe», erwidert Ueli Bichsel.
Er selbst bevorzugt die Bühne, den gestalteten Raum, das Abtauchen in eine magische Welt. Verführung durch Spiel, nennt es Ueli Bichsel. Seine Laufbahn zeichnet sich aus durch langjährige Partnerschaften wie jene mit Marcel Joller Kunz von den «Lufthunden».
Die letzten zehn Jahre war er mit Silvana Gargiulo künstlerisch liiert. In ihrem letzten gemeinsamen Stück « Nichtsnutz » trugen beide rote Nasen und waren damit eindeutig als Clowns definiert.
Auf das Alter hin wieder wie in den Anfängen
«Vermutlich trägt jeder eine solche Figur in sich, die anarchistisch ist, sich auflehnt, widerspricht», sinniert er über das Dasein zwischen Komiker und Narr. Ein Dasein, welches im Alter von 65 Jahren eine echte Herausforderung darstellt. Weil die Figur zwar alterslos bleibt, der Körper sich dagegen mit Zipperlein meldet.
«Ich bin eigentlich zufrieden, was meine Gesundheit angeht. Aber ich werde bestimmt keinen Zwölfjährigen mehr spielen», meint Ueli Bichsel lakonisch. Die Aussage entwickelt einen verblüffenden Reiz, denn man mag ihn sich gut als halbwüchsigen Jungen vorstellen.
Seine persönliche Freiheit, auf der Bühne zu machen was er wolle, sei keine andere als vor 35 Jahren. «Auf das Alter hin erlebe ich die persönliche Freiheit wieder ähnlich wie in den Anfängen. Bloss, dass die Unsicherheit weg ist.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 16.03.2017, 09:02 Uhr