Legendär sind sie, die Marionetten der Augsburger Puppenkiste. Kasperl, Jim Knopf und das Urmel verzaubern schon seit mehreren Generationen Besucher, Fernseh- und auch Kinozuschauer. Doch für einmal gibt’s jetzt Siegfried statt Jim Knopf, eine Walküre statt Urmel.
Grosses Drama auf kleiner Bühne
Überwältigend, bedeutungsschwanger, pathetisch: Wagners monumentaler Opernzyklus ist von Anfang an auf Grösse angelegt. 16 Stunden, verteilt auf vier Opern, dauert dieses Hauptwerk Wagners.
Dass das auch in klein geht, zeigt die neue Inszenierung der Augsburger Puppenkiste: 32 Marionetten bevölkern den Puppen-«Ring», geführt von sieben Puppenspielern.
In 17 schlichten, aber farbenfrohen Bildern erzählen sie die dramatische Geschichte um Liebe, Macht und Familienzwist.
Fast jede Figur im «Ring» hat in irgendeiner Form Dreck am Stecken: Allen voran Alberich der Nibelung, der den Stein ins Rollen bringt, indem er das Gold der Rheintöchter stiehlt. Daraus lässt er sich einen machtvollen Ring schmieden.
Aus sperrig mach simpel
Im Augsburger «Ring» wird nicht gesungen, sondern gesprochen. Die Sprechrollen sind teilweise prominent besetzt: mit dem Ärzte-Schlagzeuger Bela B. als Riese Fafner oder Satiriker Oliver Kalkofe als Nibelung Mime.
Es herrscht ein moderner Ton. Regisseur Florian Moch hat Wagners opulenten und sperrigen Text radikal gekürzt und mit Zitaten von Shakespeare, Brecht und Goethe garniert. Oft wirken die Texte herrlich ironisch.
Aufgepeppt wird der «Ring» auch musikalisch. Filmkomponist Enjott Schneider, der die Musik bearbeitet hat, bindet rockige und elektronische Klänge mit ein.
Die wichtigsten Wagner-Motive dürfen aber auch in der Augsburger Puppenkiste nicht fehlen. Das Rheingold-Motiv etwa, der Ritt der Walküre oder Siegfrieds Hornmotiv.
Doch die Musik bleibt ein Mittel zur Untermalung der einzelnen Szenen, die teilweise wie einzelne Momentaufnahmen aus einem Familienalbum über drei Generationen hinweg gezeigt werden. Nicht alle Figuren können sich in der kurzen Zeit vollends entwickeln.
«Ring» mit doppeltem Boden
Trotzdem ist die Inszenierung spannend und unterhaltsam vom Anfang bis zum Schluss. Da stört es auch nicht, dass einzelne Figuren fehlen.
Eine einzige Walküre reicht in Augsburg vollkommen. Und was für eine! Brünnhilde ist auf der Puppenbühne ein heisser Feger mit rauchiger Stimme. Nicht nur sie umweht ein kabarettistischer Hauch.
Wotan ist ein latent grössenwahnsinniger Selbstdarsteller, dem es mehr um sein Ego, als um Inhalte geht. Und Siegfried, der vermeintlich strahlende Held, tritt als Clown und Naivling auf.
Aber es geht bei der Inszenierung nicht darum, Wagner zu veräppeln. Wagner soll nachweislich Fan des Puppentheaters gewesen sein.
Vermutlich hätte ihm dieser «Ring» auch als Marionettentheater gefallen. Und damit schliesst sich dann der Kreis. Beziehungsweise der Ring.