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Bayreuther Festspiele «Parsifal»-Premiere: mit viel Symbolik für den Umweltschutz

Bayreuth setzt dieses Jahr mit der Neuinszenierung von «Parsifal» auf viel Innovation – auf der Bühne, aber auch im Publikum.

Am Dienstagnachmittag um 16 Uhr war es soweit: Wie jedes Jahr am 25. Juli begannen die Richard-Wagner-Festspiele, das wichtigste Opernfestival Deutschlands.

Dieses Jahr eröffnete Bayreuth mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners letzter Oper «Parsifal». Regisseur war der US-Amerikaner Jay Scheib, Dirigent Pablo Heras Casado. Für beide war es ihr Debüt in Bayreuth.

Neuland in Bayreuth

Ein weiteres Debüt am traditionsreichen Festspielhaus feierten auch die sogenannten AR-Brillen. Über Augmented Reality (einer computergestützten Erweiterung der Realität mittels spezieller Brillen) bebilderte Jay Scheib einen Grossteil seiner Inszenierung mit Symbolen, Insekten, Blumen und Bäumen.

Buntes Bühnenbild mit mehreren Frauen, die auf einer künstlichen Landschaft posieren.
Legende: Mit oder ohne AR-Brille – die Inszenierung von «Parsifal» ist eine Spektakel für die Augen. Keystone/Enrico Nawrath/Bayreuth Festival

Auch Plastikmüll, Batterien und Autos waren zu sehen. Und Symbole, die direkt mit Wagners Oper zu tun haben: ein Speer, ein blutender Schwan und eine Taube, die den heiligen Geist darstellt.

Ein Mann mit schwarzen Hemd sitzt in den leeren Sitzreihen eines Theaters in Bayreuth. Auf dem Kopf eine AR-Brille
Legende: Neuland für die Bayreuther Festspiele: In Jay Scheibs Inszenierung des «Parsifal» wird erstmals eine Produktion mit Augmented Reality ergänzt. KEYSTONE/DPA/Daniel Vogl

AR-Brillen sind bislang noch sehr selten im Opernbetrieb. Die Bilder könnten von der Musik ablenken, so der Einwand. Einige Premierengäste setzten die Brillen auch direkt wieder ab. Ohnehin hatten die Festspiele nur 330 Brillen für 2'000 Zuschauende zur Verfügung. Aus Kostengründen.

Heiliger Gral zum Auftakt

Regisseur Jay Scheib zeigte denn auch eine Operninszenierung, die ohne AR-Brille funktioniert. In Wagners Bühnenweihfestspiel, wie der Komponist es nannte, geht es um den heiligen Gral: Eine müde Gesellschaft von Gralsrittern wartet auf Kraft aus dem Gral. Eigentlich wartet sie sogar auf einen Erneuerer. Diesen finden sie in Parsifal.

Bis es aber soweit ist, fliesst noch einiges an Blut aus dem Gral. Der Hüter des Grals leidet immer noch an seiner Wunde. Und die Verführerin Kundry wird versuchen, Parsifal von seinem Weg abzubringen.

Kritik an Umgang mit Umwelt

Die Gralsritter sind im Stück als Bergleute dargestellt, die auf der Suche nach Kobalt sind. Ein Schwermetall, das heute unter anderem für Autobatterien verwendet wird. Der Gral, worin eigentlich das Blut Christi fliesst, ist in Scheibs Inszenierung aus Kobalt.

Bühnebild mit zwei Personen in der Mitte, die in einem grünen See stehen. Um sie herum schauen weitere Personen
Legende: Giftgrünes Bühnenbild: Regisseur Jay Scheib übt in seiner «Parsifal»-Inszenierung Kritik an unserem Umgang mit der Umwelt. Keystone/Enrico Nawrath/Bayreuth Festival

Der Regisseur kritisiert damit den ressourcenverschleissenden Abbau des Metalls und macht Umweltaspekte zum Thema seiner Inszenierung. Später zerschmettert Parsifal den Kobalt-Gral. Damit will Scheib sagen: Die Umweltausbeutung muss aufhören.

Zum utopischen Schluss flattert noch eine strahlende Taube durch die AR-Brillen – Symbol für die Vision einer umweltfreundlicheren Welt.

Integrative Botschaft

Diese «umweltfreundliche» Lesart von Wagners «Parsifal» wurde von der musikalischen Interpretation gespiegelt. Pablo Heras Casado liess das Orchester leise und mild spielen. Das kam auch den Sängern zugute.

Andreas Schager in der Titelrolle hat eine sehr schöne, geschmeidige Stimme. Im Vibrato manchmal zu stark. Durchweg exzellent war hingegen Elina Garanča als Kundry. Vor allem in den lyrischen Teilen einer Verführungsszene.

Zum Schluss der Inszenierung versöhnen sich Kundry und Parsifal noch in einer speziellen Lesart Scheibs. Denn oft bleibt Kundry die Ausgestossene. Jay Scheibs Aufruf zur Versöhnung ist hier deutlich zu spüren.

Bayreuth mit neuem Finanzierungsmodell

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Die Bayreuther Festspiele sind eine GmbH, die von vier Parteien gehalten wird: Bislang hielten der Bund, der Freistaat Bayern und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth je 29 Prozent dieser Anteile. Sie finanzieren die Festspiele zu je 29. Prozent – zu 3 Millionen Euro pro Jahr. Die restliche Finanzierung übernimmt die Stadt Bayreuth. Dies alles in Ergänzung zu Einnahmen aus Tickets und Sponsoring.

Neue Aufteilung der Finanzierung

Am 25. Juli hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun verkündet, dass sich der Freistaat Bayern künftig stärker bei den Festspielen engagieren will: neu mit 37 Prozent. Auf denselben Prozentsatz könnte der Bund sein Engagement aufstocken – sofern er bei Bayerns Plan mitzieht.

Der Grund für diese Veränderung: Ende 2022 hatte die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth angekündigt, künftig wegen geringerer Einnahmen weniger zahlen zu können. Laut den aktuellen Plänen wären das künftig 13 statt 29 Prozent für die «Freunde».

Gefragt ist eine konstruktive Leitung

Die «Freunde» nehmen mit ihrem konservativen Kurs starken Einfluss auf die Bayreuther Festspiele. Dass sich auch der Bund stärker in Bayreuth engagiert, knüpft Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) an eine stärkere Rolle des Bundes bei den Festspielen. «Wir brauchen Öffnungen, wir brauchen neue Formate», sagt Roth. Zudem benötige Bayreuth ein «konstruktives Leitungsgefüge», das gut zusammenarbeiten könne.

Die Festspiele werden noch bis 2025 von Richard Wagners Urenkelin Katharina Wagner präsidiert. Ihr wird vorgeworfen, sich verschiedentlich mit Personen in leitender Stellung angelegt zu haben. Unlängst mit dem Geschäftsführer Ulrich Jagels. Wagner warf ihm Fehler im Kartenvertrieb vor, weswegen die sonst immer ausverkauften Festspiele dieses Jahr noch bei Festpielbeginn freie Plätze im Verkauf hatten.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 26.07.2023, 8:06 Uhr

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