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Bühne Afrika in Avignon

Avignon im Juli ist das Mekka des französischen Theaters. Grosse Namen geben dem Festival d'Avignon Glanz und Spektakel, aber auch viel Pathos. Es ist das letzte Festival von Hortense Archambault und Vincent Baudriller, im September übernimmt ein neuer Leiter.

Was gibt es Neues in Avignon? Zunächst eine «grosse Kiste»: das neue (tatsächlich kistenförmige) Probe- und Aufführungszentrum «FabricA» wenige Schritte ausserhalb der Stadtmauern. Die Majuskel «A» stellt auch das Logo des Festival d'Avignon dar.

Es war ein lang gehegtes Projekt der Festivalleiter Hortense Archambault und Vincent Baudriller, im Grunde schon ein Traum seit der ersten Festival-Stunde 1947: Arbeitsbedingungen für die Künstler auf der Höhe des Festivals. Die «FabricA» wurde noch vor der ersten Schauspielpremiere mit einem grandiosen Feuerwerk-Spektakel eröffnet.

Von Pathos gefährdete Arbeiten

Im Theater selber lief‘s etwas harziger an. Die beiden Artistes associés dieser Ausgabe zeigten lange, von Pathos gefährdete Arbeiten. Artistes associés sind beratende Gastkünstler, will heissen: Sie diskutieren mit den Direktoren – selber keine Künstler – das Programm und geben ihm einen persönlichen Touch.

Dazu gehört, dass sie eigene Arbeiten zeigen, namentlich die Eröffnungspremieren. Baudrillers und Archambaults Hintergedanken waren die Horizonterweiterung und eine genreüberschreitende Öffnung des Theaterbegriffs. Ihre Festivalausgaben gewannen durch die künstlerischen Einzelhandschriften durchaus an konzeptueller Stringenz.

Avignon 2013 ist Baudrillers und Archambaults letztes Festival, mit ihnen wird auch das Konzept der Artistes associés verschwinden. Im September übernimmt der Autor, Schauspieler und Regisseur Olivier Py die Festivalleitung, selber ein schöpfender Künstler.

Theater als politische Anstalt

Die diesjährigen Gastkünstler sind der Franzose Stanislas Nordey und der Kongolese Dieudonné Niangouna. Beide verstehen das Theater als politische Anstalt. Nordey ist einer der kulturpolitisch engagierten Regisseure Frankreichs, Niangouna wurde bekannt mit Arbeiten zur französischen Kolonialherrschaft und dem Bürgerkrieg in seiner Heimat.

Dies zeigt sich in ihren Festivalpremieren: Stanislas Nordey inszenierte im Papstpalast das Stück «Über die Dörfer» von Peter Handke. Es handelt von verlorener Gegenwart und künstlerischer Weltrettung. Den Schluss macht der programmatische Monolog einer Figur mit dem nicht minder programmatischen Namen Nova über die Macht der Kunst.

Das Festival

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Das 67. Festival d’Avignon dauert vom 5. bis 26. Juli.

Das Stück steht wie ein Fanal in einer desolaten kulturpolitischen Situation. Nordey beweist damit Haltung – es geht auf als Statement; aber nicht als Kunstwerk. Die Inszenierung verflüchtigt sich in affirmativem Pathos. Daran vermögen auch die Starauftritte einer giftigen Emmanuelle Béart und einer manierierten Jeanne Balibar nichts zu retten.

Wild und gewalttätig – aber am Ende zu viel

Der zweite mythische Festival-Ort neben dem Papstpalast ist die Carrière de Boulbon, ein alter Steinbruch. Hier hat Dieudonné Niangouna sich und seiner Truppe ein wütendes Stück geschrieben. «Shéda» ist ein wuchernder Text, wild und gewalttätig – es wird am Ende aber zu viel. Das Wüten überdreht sich ins Leere. Es kollabiert unter der Last all der Geschichten. Da wird der Abend lang.

Neben Niangounas Eigenproduktion gibt es im Festival einen kleinen Afrika-Schwerpunkt mit neuen Arbeiten junger Theaterkünstler – und eine Carte blanche für die Artistes associés der vergangenen zehn Jahre, als hübscher Rückblick auf die Ära der scheidenden Direktoren.

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