Ein Besuch in Ariane Mnouchkines Theater ist der Besuch auf einem anderen Planeten. Oder eine Reise hinaus in die Welt. Denn wenn man nach Vincennes fährt in den Südosten von Paris, am Schloss vorbei in die alte Munitionsfabrik, in den Hof hinein mit den blühenden Kastanienbäumen, dann steht da – wie eh und je – die Patronne selber: Ariane Mnouchkine. Und reisst Eintrittskarten ab.
Das Foyer ist diesmal auf Shakespeare getrimmt, Schauspieler schminken sich oder wärmen sich auf unter den hölzernen Tribünen. Es gehört alles zusammen und gehört mit zur ganzen Inszenierung.
Starke Bilder, politisches Feuer
Ariane Mnouchkines «Théâtre du Soleil» ist nicht nur lebensnah, sondern hat auch einen ausgeprägt festlichen Charakter. Es ist immer getragen von einem politischen Feuer. Etwa, wenn sie Molières «Tartuffe» inszeniert: Der hochstaplerische Frömmler und Betrüger trat auf wie der Inbegriff eines islamischen Fundamentalisten, mit schwarzem Bart und Djellabah, begleitet von sechs identischen Doubles. Das hatte was Bedrohliches, aber auch etwas hochgradig Komisches. Ein eindrücklicher Theatermoment – Ariane Mnouchkine hat ein Flair für solche starke Bilder.
Umgekehrt ist sie manchmal ein bisschen pauschal; aber immer ist ihr Theater ein Theater, das sich explizit an die Zuschauer wendet. Ariane Mnouchkines Schauspieler stellen aus, was sie spielen, und sie suchen in jedem Augenblick die Verbindung mit dem Publikum.
Einzigartige Mnouchkine-Momente
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So auch jetzt in der Jubiläumsproduktion, William Shakespeares «Macbeth». Es ist die Geschichte vom leichengesäumten Aufstieg und Fall des schottischen Heerführers: Serge Nicolaï als Macbeth im «Théâtre du Soleil» kläfft ins Publikum. Er ist ein Haudegen, den man nicht zum militärischen Vorgesetzten möchte, herrisch und vulgär, ein aggressiver Räuberbaron.
Als die Hexen ihm Schottlands Königskrone prophezeien, haut es ihn in einem Salto rücklings um – das sind die kostbaren, einzigartigen Mnouchkine-Momente. Wo eine Situation sich in einer prägnanten Haltung jählings zuspitzt. Da gelingen ihr die ausdrucksvollsten Szenen. Weniger in den Dialogen und den grossen Schauspieler-«Arien», die es in «Macbeth» auch gibt: Da bleiben die Mittel konventionell und die Schauspieler lassen einen Deklamationston hören.
Am bezauberndsten aber sind die Übergänge zwischen den Szenen: Die eiligen Umbauten, die jeweils – husch, husch – mit wenigen Requisiten ein ganzes Lebensmilieu heraufbeschwören. Die filzige Heide, ein Garten mit Rosenbäumchen, ein Kinderzimmer – hingetuschte Welten. Solche suggestiven, flinken Verwandlungen, das bringt keine Truppe hin wie das «Théâtre du Soleil».