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Schauspieler Sebastian Rudolph in der Inszenierung «Faust I».
Legende: Sebastian Rudolph (rechts) mit Philipp Hochmair (links) in der Inszenierung «Faust I» am Thalia Theater Hamburg. Reuters

Bühne Auszeichnung für einen altmodischen Punk

Eigentlich wollte er nie zum Theater. Und jetzt ist Sebastian Rudolph Schauspieler des Jahres 2012. Der 44jährige verteidigt die Bühnenklassiker bis auf die Knochen - und wer ihn auf der Bühne gesehen hat, dankt ihm dafür.

Als Titania in Shakespeares «Sommernachtstraum» steht Sebastian Rudolph am Thalia Theater Hamburg in High Heels auf der Bühne. Er macht auch als Frau eine gute Figur und auch singen kann der Mann. Nach der Premiere Ende November 2012 war das deutsche Feuilleton begeistert von der darstellerischen Ausnahmeleistung des Schauspielers - einmal mehr.

Sebastian Rudolph

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Sebastian Rudolph (*1968) wurde von der Zeitschrift «Theater heute » für seine «Faust»-Darstellung zum Schauspieler des Jahres 2012 gewählt. Er arbeitete in Basel, Zürich, Wien, Hamburg und Berlin und prägt seit langem die Arbeiten von Chr. Marthaler, St. Pucher und N. Stemann. Seit 2009 ist Rudolph Ensemblemitglied am Hamburger Thalia Theater.

Keine Spur von Grössenwahn

Dass er für die herausragende Darstellung von Goethes «Faust» zum Schauspieler des Jahres 2012 gekürt wurde, freut den 44jährigen zwar, doch ist es ihm vor allem Anlass, sich wieder einmal neu zu erfinden. Da ist keine Spur von Grössenwahn oder Ermüdungserscheinungen. Sebastian Rudolph bezeichnet sich selbst als Theatertier, als altmodischen Punk. Zwischen seiner Arbeit und seinem Leben zieht er keine Grenze.

In der Ära Marthaler war Rudolph am Schauspielhaus Zürich engagiert, seit drei Jahren nun ist er Ensemblemitglied am Hamburger Thalia Theater. Dazwischen war der Schauspieler zwischen den bedeutenden Theaterbühnen unterwegs und sass fast nur noch im Flugzeug. Heute wünscht er sich diese Zeit nicht zurück. 

Ein Faust mit jugendlichem Wuschelkopf

Sebastian Rudolph zündet im Theaterstück «Faust I» ein gelbes Reclamheft mit dem Feuerzeug an.
Legende: Den Klassiker in Buchform zerstören, um ihn dann auf der Bühne neu entstehen zu lassen: Sebastian Rudolph in «Faust I». Reuters

Belastungsresistenz gehört zu seinem Beruf. Fast acht Stunden steht Sebastian Rudolph in der Marathoninszenierung «FAUST 1+2» von Nicolas Stemann auf der Bühne. Wohlweislich lässt er es mit der Verkörperung der weltberühmten Dramenrolle ruhig angehen.

In einer Wildlederjacke und mit jugendlichem Wuschelkopf lungert er mutterseelenalleine auf der Bühne herum, nuschelt vor sich hin und wedelt mit dem gelben Reclamheft, als müsste er Fliegen verscheuchen. Schon bald kriegt er die ersten Lacher.

Eine knappe Stunde später liegen sich Faust und Mephisto in der berühmten Nacht-Szene in den Haaren. Sebastian Rudolph spielt beide Rollen und die des Geistes, mit dem Faust ringt, in Personalunion und so unmittelbar, dass es einem schlicht die Sprache verschlägt. Er lässt seine Stimme in luftigen Höhen kreisen, in dunkle Kerker sausen und er wirft mit Farbe und einem Dutzend Äxten um sich. Die Bühne ist Sebastian Rudolphs Heimat. Hier macht er die Sprache und die Schönheit der Klassiker dem Publikum begreifbar.

Mit Goethe in die Waschmaschine

Es ist, als wäre der Text, den Sebastian Rudolph einspeichelt, kaut und ausspuckt, nicht im frühen 19. Jahrhundert sondern gestern geschrieben worden. So verständlich hörte sich Goethe schon lange nicht mehr an.

Regisseur Nicolas Stemann hat für seine Inszenierung, die im Herbst 2011 am Thalia Theater Hamburg Premiere feierte, den Text den beiden Schauspielern Sebastian Rudolph, Philipp Hochmair und der Schauspielerin Patrycia Ziolkowska integral in den Mund gepaukt. Rudolph vergleicht dieses Vorgehen mit dem Schleudergang der Waschmaschine. Der Text wurde nicht auf den Sinn hin, sondern bewusst dagegen geprobt.

Bloss nicht zum Theater

Sebastian Rudolph stammt aus einer Theaterfamilie und wollte nie Schauspieler werden. Als kleines Kind stand er abends am Fenster und wartete auf seine Eltern. Heute ist er selber Vater dreier Söhne und weiss, wie manches Angebot seine Mutter als Schauspielerin ausschlagen musste, um wenigstens in derselben Stadt wie ihre Kinder leben zu können.

Das Theater sei kein sehr familienfreundlicher Ort, attestiert Sebastian Rudolph seinem Arbeitsplatz, auch wenn es besser geworden sei in den letzten Jahren.

Eine Auszeichnung wie die des «Schauspielers des Jahres» macht seinen Alltag nicht leichter, sondern setzt ihn eher unter Druck. Vom ganzen Hype abgesehen, ist es auch nicht so, dass die Inszenierung ständig vor ausverkauften Sälen spielen würde.

Als Faust verbrennt Sebastian Rudolph förmlich auf der Bühne, zu seinem Beruf scheint der Schauspieler ein gesundes Verhältnis zu haben. Er möchte in 40 Jahren nicht denken, er sei nur Schauspieler gewesen. Was das Leben für ihn anderes als Theater bereithalten könnte, das weiss er allerdings nicht. Und diese Einsicht scheint ihn nicht zu stören.

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