Am westlichen Ende von Zürich franst die Limmatstadt zwischen Gewerbebauten und Autobahn-Auffahrten aus. Zwischen zwei Tramstationen klafft das Gelände des ehemaligen Fussballstadions Hardturm wie eine Wunde. Der Ort, den GC-Fans vor Fussballspielen wie Pilger aufsuchen, lebt von seiner historischen Vergangenheit genauso wie von seiner unklaren Zukunft.
Gerade deshalb ist er für interdisziplinäre Projekte attraktiv. Seit Ende Juni 2011 belebt der Verein Stadionbrache die drei Hektaren als «Gebrauchsleihe» der Stadt Zürich mit quartierverträglichen und nichtkommerziellen Projekten.
Und die «Blickfelder» wiederum nutzen das Gelände als inoffizielles Festivalzentrum. Denn das Stück urbanes Niemandsland, auf dem nur eine Seite der Westtribüne an die Vergangenheit des Ortes erinnert, ist wie geschaffen für die Auseinandersetzung mit Kunst.
Auf dem Dampfkochtopf
Unter dem Titel «Platz da!» hat der Künstler Bob Gramsma zusammen mit vier Zürcher Schulklassen das Phänomen Raum untersucht. Entstanden sind dabei fast hundert kleine Installationen, die auf der Stadionbrache verteilt an Vogelhäuschen erinnern.
Der Blick in die kleinen Holzkästen führt zu inszenierten Innenräumen. Lebensminitaturen von Kinderhand gestaltet sind da ausgestellt, eine Hochzeit etwa, ein Zoo oder sogar Traumwelten. Die Kasten sind an der Rückwand offen und fokussieren auf diese Weise die direkte Umgebung, beispielweise Zürichs neues Wahrzeichen, den Prime Tower.
Als gemeinsames Element haben die Schulkinder in Diskussionen mit dem Künstler Bob Gramsma das riesige Ventil eines Dampfkochtopfs entwickelt. Es steht mitten auf der Brache und macht auf ganz schlichte Weise klar, wie explosiv dieser Ort ist. So klein das Objekt ist, so gross ist seine Wirkung – wenn man sich der Vorstellung hingibt, die Stadionbrache könnte jeden Augenblick in die Luft fliegen.
Vom Frühling bestellt
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Spielen mit dem Raum und mit dem gestalterischen Potential eines Ortes wie einer ungastlich wirkenden Stadionbrache, das ist auch das Thema im «Gewächshaus». Eine Fülle von Bastelmaterial und Abfall liegt in dem kleinen Zelt bereit, um von Kindern unter Einsatz von viel Leim und Lärm zu Blumen oder anderen wilden Gewächsen verarbeitet zu werden. Da gibt es Palmen aus Staubwedeln und Abwaschbürsten, Sträusse aus ehemaligem Christbaumschmuck und Disteln aus bissigen Korkzapfen.
In Auftrag gegeben habe die eigenwillige Bepflanzung der Frühling höchstpersönlich, erklärt Kunstvermittlerin und Gewächshausmeisterin Jennifer Grunder, die darum bemüht ist, dass die fantastischen Gebilde auf der Brache richtig eingepflanzt werden und einen unverwechselbaren Namen bekommen.
Spiel ohne Grenzen
Dass der Frühling bislang auf sich warten liess, hat im Fall des Gewächshauses auch Vorteile. Die Kunstblumen kommen so bestens zur Geltung, haben sie bislang doch kaum Konkurrenz von echtem Frühlingsflor erhalten. Dass direkt neben den kleinen Kunstwerken auf einem improvisierten Feld einige Kinder Fussball spielen, tut der Sensibilisierung auf die Kunst keinen Abbruch. Auf der Brache kennen Fantasie und Spiel eben keine Grenzen.