Omar Porras und seine Truppe, das Teatro Malandro, kommen aus Genf. Seit 1990 arbeiten sie kontinuierlich. Nächstes Jahr feiern sie ihr 25-Jahre-Jubiläum. Omar Porras begreift die Auszeichnung mit dem «Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring» als Anerkennung der Arbeit mit seiner Truppe und der freien Szene insgesamt.
Für Preisträger Porras ist Theater eine Lebensform
Omar Porras wurde 1963 in Bogotá geboren. In Europa hat er sich zum Schauspieler und Tänzer ausbilden lassen – namentlich in Paris in der Theater- und Pantomimenschule von Jacques Lecoq. In Paris begegnete er auch dem Erzähltheater von Peter Brook und dem multikulturell bunten Bewegungstheater von Ariane Mnouchkine. Das merkt man seinem Stil an.
Er sucht sich die Theatermittel zusammen, wo es ihm gerade passt und wo sie zum Stoff am besten passen. Beim japanischen Kabuki, beim Bewegungstheater, im Techno-Club, in der Sa mbaschule, aber auch in der griechischen Tragödie. Das Theater von Omar Porras ist synkretistisch, universalistisch und es blitzt nur so von szenischer Fantasie.
Theater als Lebensform
Sein Theater sei so etwas wie ein Durchgangsort, sagt Omar Porras: Die Künstler aus aller Welt bringen ihren kulturellen Hintergrund mit. Das befruchtet seine Arbeit. Und er betont: Theater sei für ihn nicht bloss eine Feierabend-Vergnügung, sondern geradezu etwas Heiliges, so etwas wie eine Kommunion. Da schwingt lateinisches Pathos mit, aber auch ein Lebensbekenntnis: Theater, sagt Omar Porras, besteht nicht einfach darin, Stücke zu produzieren. Es ist eine Lebensform.
Unbekannt in der Deutschschweiz
In der Deutschschweiz ist Omar Porras noch kaum bekannt. Er wirkt mit seiner bunten Ästhetik und seiner beinahe religiösen Ethik exotisch. Gerade an seinem Beispiel zeigt sich, wie unterschiedlich die Theaterszenen in der Deutschschweiz und in der Romandie ticken. Das ist die grosse Herausforderung des neuen Schweizer Theatertreffens: Äpfel und Birnen sozusagen kreuzweise zu büscheln. Horizontal von Ost nach West – vom Süden mal ganz abgesehen. Und vertikal zwischen festen Häusern und freier Szene. Die Produktionsmittel und Arbeitsweisen unterscheiden sich enorm – und entsprechend die Resultate auf den Bühnen.
Die Westschweizer Szene orientiert sich primär am Festival von Avignon, wo sich drei Juliwochen lang die frankophone Theaterwelt von Avenches bis Zaïre trifft. Die Deutschschweizer schauen nach Berlin, wo fast gleichzeitig mit dem Winterthurer Treffen die zehn bemerkenswertesten deutschsprachigen Theaterproduktionen ihr grosses Schaulaufen haben. Gemein ist beiden grossen Theatertreffen neben der künstlerischen Nobilitierung der Eingeladenen eine ausgesprochen festliche Ausstrahlung. Legendär ist der «Esprit d'Avignon», der die Theater mit neuer Inspiration versorgt.
Über die Sprachgrenzen
Auch das Schweizer Theatertreffen will eine Bestenschau sein und es gleichzeitig allen recht machen. Es zeigt eine «guteidgenössische» Auswahl, die alle Formen und Landesteile gleichermassen berücksichtigt. Viermal Deutschschweiz (Basel, Zürich und zwei Freie), zweimal Romandie, einmal Tessin. «Wir hoffen, dass es gelingt, im Bereich Theater das Interesse am Theaterschaffen in den anderen Sprachregionen zu wecken und zu fördern», sagt Adrian Marthaler, der dem Verein Schweizer Theatertreffen vorsitzt.
Dafür ist jetzt in Winterthur zehn Tage lang Zeit. Wird sich der «Esprit de Winterthur» regen? Sich auf Unbekanntes einlassen, die Vielfalt entdecken, in einem festlichen Rahmen das Theater debattieren und das Theater feiern: das ist die Chance des neuen Theatertreffens.