Die Ausgangslage ist Kairo, 2011: eine ganz normale Familie. Sie wird von den Ereignissen des «arabischen Frühlings» überrollt. Im Kern der Kleinfamilie spiegeln sich die grossen Strömungen der Revolution: In den zwei ungleichen Brüdern, der eine mehr anarchistisch zupackend, der andere mehr intellektuell rebellierend. In ihrem Schwager, dem Polizisten, der die Korruption von innen heraus kennt. In den beiden Frauenfiguren, der selbstbewussten Schwester und der erst zaghaften, dann zunehmend engagierten Mutter. In ihren Diskussionen, in ihrer Unsicherheit, wie sie sich verhalten sollen.
Die Reduktion der grossen Ereignisse auf eine kleine Familie ist schlau: Sie macht die allgemeine Frage nach Wesen und Wirken des Widerstands konkret.
Befremdend: Ägypter sprechen in Blankversen
Weniger gut funktioniert in Ad de Bonts Text die Projektion des Arabischen Frühlings auf Schillers hochgestimmtes Freiheitsdrama «Wilhelm Tell». Da sprechen unversehens Ägypter von heute in pathetischen Blankversen – es ist befremdend.
De Bonts Drama ist kein Meisterwerk: Zu angestrengt muss er Schillers Vorlage ins moderne Ägypten hinüber stemmen, zu krampfhaft die Sagenmotive der aktuellen Zeitgeschichte überstülpen. Der Apfelschuss wird dabei zum Apfelsinenschuss – das ist zwar hübsch, aber über die Pointe und den Kalauer hinaus nicht wirkungsmächtig.
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Lebendig und humorvoll inszeniert
Die Schauspieldirektorin des Theaters Biel-Solothurn, Katharina Rupp, tut dem etwas konfusen Text mit ihrer anschaulichen, lebendigen und humorvollen Inszenierung einen grossen Dienst.
Vor allem, weil sie dabei immer ganz unangestrengt bleibt. Sie bricht das hochfahrende Pathos des Textes, ohne gleichwohl die zugrunde liegenden Konflikte zu verkleinern. Diese bleiben unaufgelöst, und das Solothurner Ensemble führt sie den Zuschauern mit viel Unmittelbarkeit vor Augen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 03.11.2014, 16.50 Uhr