Wer ist schuld am Millionendefizit des Wiener Burgtheaters? Das Haus rechnet für die Spielzeit 2012/2013 mit einem Verlust von 8,3 Millionen Euro. Ausserdem drohen Steuernachzahlung von rund 5 Millionen Euro.
Eine – und zwar nur eine einzige – Schuldige für das Finanzloch steht laut Aufsichtsrat und dem Intendanten fest: Die inzwischen entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky soll durch undurchsichtige Buchführung die bedrängte Lage des Hauses verschleiert haben. Sie bestreitet die Vorwürfe allerdings und klagt gegen ihre Entlassung.
Intendant Matthias Hartmann, der vor seiner Berufung nach Wien das Schauspielhaus Zürich leitete, will von dem riesigen Finanzloch nichts gewusst haben: Er weist auf die strikte Trennung des kaufmännischen und des künstlerischen Bereichs hin – und will sich als künstlerischer Leiter des Hauses nie um so etwas Profanes wie Geld gekümmert haben: «Der
Kaufmann setzt sich ja auch nicht ans Regiepult, und ich gehe nicht
in die Buchhaltung, um dort misstraurisch zu prüfen.»
Aufstand der Schauspieler
Das sieht das Ensemble des Theaters anders und will diese Einzeltäterthese so nicht stehen lassen. Mit 83 zu 31 Stimmen sprach es Hartmann vergangene Woche sein Misstrauen aus. «Wir, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Burgtheaters, sehen uns nach Bekanntwerden des desaströsen finanziellen Zustands unseres Betriebs (...) nicht in der Lage, dieser Darstellung Glauben zu schenken», heisst es in der Erklärung. Hartmann wird darin scharf attackiert, die Mitarbeiter reden von einer Atmosphäre der Angst, die seit dem Amtsantritt des Intendanten vor fünf Jahren herrsche.
«Anstatt die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass finanzielle Misswirtschaft von allen Verantwortlichen stattgefunden hat, wird stattdessen uns MitarbeiterInnen des technischen und künstlerischen Personals seit Amtsantritt von Matthias Hartmann die jederzeitige Kündigung als Sparmassnahmen-Rute ins Fenster gestellt, was einer unwürdigen und unproduktiven Angstpolitik entspricht», zitiert die österreichische Zeitung «Die Presse» aus dem Schreiben, das das Ensemble an Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) schickte.
Hartmann wehrt sich
Intendant Hartmann versucht angesichts der schweren Vorwürfe seiner Mitarbeiter zu beschwichtigen. «Die Tatsache, dass ich vielen Ensemble-Mitgliedern nicht in ausreichender Form meine unausgesetzten Bemühungen zur Bewältigung dieser schweren Krise hinreichend klar machen konnte, macht mich betroffen, und ich nehme das sehr ernst», sagte der 50-Jährige am Wochenende.
Gleichzeitig verteidigt er seine Arbeit und den Sparkurs. «Ich habe die Zuschauereinnahmen um fast 30 Prozent gesteigert, die Produktionskosten gehalten und beim künstlerischen Personal ebenfalls um knapp 30 Prozent optimiert», sagte Hartmann der Zeitung «Der Standard» am Montag. Er sehe ausserdem das Misstrauensvotum mehr als Solidarisierung mit der entlassenen Vizedirektorin Silvia Stantejsky als gegen sich gerichtet.
Die Devise heisst jetzt abwarten
Auch Kulturminister Ostermayer nimmt zur Burgtheater-Affäre Stellung. Er kann «die Verunsicherung und Sorge im Ensemble gut nachvollziehen, aber gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, kühlen Kopf zu bewahren.» Deswegen werde nun erst mal nicht gehandelt, sondern der Endbericht der Wirtschaftsprüfer abgewartet: «Alles andere wäre nicht seriös.» Der endgültige Prüfungsbericht soll Ende Februar, die Burgtheater-Bilanz im April vorliegen.