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Christian Brantschen spielt im Hintergrund Kontrabass, im Vordergrund sitzen verschiedene Mitglieder der Gruppe «Bern ist überall»..
Legende: In der Küche, respektive auf der Bühne, ist unterdessen ein bunter Mix von Sprachen und Darbietungen zu hören. Bern ist überall

Bühne Die Wortkünstler von «Bern ist überall» nehmen Platz «ir Chuchi»

«Bern ist überall», das ist Name und Konzept einer Künstlergruppe, der mittlerweile 14 Musiker und Spoken-Word-Poeten aus der ganzen Schweiz angehören. Auf ihrer neuesten CD «Ir Chuchi» streuen insbesondere die Frauen und die Welschen neue Rezepte in den Berner Männerhaushalt ein.

Vor zehn Jahren, als die Spoken-Word-Gruppe «Bern ist überall» entstand, war sie fast ganz in Berner Hand. Mittlerweile sind die zehn Männer und vier Frauen ein multidialektales und sogar multilinguales Ensemble, in welchem neben Berndeutsch auch Ostschweizerisch, Rätoromanisch und Französisch gesprochen wird. Die Mitglieder der Gruppe treten in stets wechselnder Besetzung auf, und das, getreu ihrem Motto, überall in der Schweiz. 2013 erhielt das Ensemble den Gottfried-Keller-Preis für die, so die Jury, «originelle und erfolgreiche Vermittlung von Literatur über die Sprachgrenzen hinweg».

Ein veritables Konzeptalbum

CD-Hinweis

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Bern ist überall: «Ir Chuchi». Verlag Der gesunde Menschenversand, 2013.

Nun feierte «Bern ist überall» an ihrem Hauptsitz, in Bern, die Taufe ihrer bereits fünften CD mit dem Titel «Ir Chuchi». Allgegenwärtig auf dieser Spoken-Word-CD sind Musik und Geräusche – sie schaffen den akustischen Raum zu den Geschichten und Gedichten rund um die Küche. In sechs «Kaffeepausen», von den vier Musikern des Ensembles komponiert, haben «vertonte Küchengeräusche» zudem ihren eigenen Auftritt.

Kein Wunder, denn es war der Musiker Christian Brantschen, selber Mitglied von «Bern ist überall», der bei dieser Produktion den Lead hatte. Er besuchte seine Ensemble-Kolleginnen und -kollegen in ihren privaten Küchen, um dort jeweils die eigens für diese Produktion geschriebenen Texte aufzunehmen. «Ir Chuchi» ist also ein veritables Konzeptalbum, wie wir es aus der Pop- und Rockmusik der 1960er- und 70er-Jahre kennen.

Die aufgenommenen Texte sind streng genommen Auftragstexte im Dienst der Küchenidee – und einigen der Nummern merkt man diese Bringschuld etwas an. Sehr viel Erwartbares klingt einem hier entgegen: Die fruchtlosen Diskussionen und Streitereien am Küchentisch zum Beispiel oder die angestrengten Worttiraden, hier auf Küche getrimmt. Umso stärker hebt sich das Unerwartete von dieser Grundierung ab, und auch das ist auf der CD «Ir Chuchi» reichlich vorhanden.

Gleichberechtigung in der Küche

Wunderbar verführt wird man als Hörer dort, wo die Küche Ausgangspunkt ist, der implizite Schwerpunkt einer Erzählung oder eines Gedankens. Michael Stauffer beispielsweise erinnert in seinem Statement «Gliichberechtigung» indirekt an hitzige Feminismus-Diskussionen in Studierenden-WGs und zieht daraus seine Konsequenzen: Jedes «er» wird durch ein «sie» ersetzt.

Ausschnitt aus «Ir Chuchi»

An einem ganz anderen Punkt der Gleichberechtigungsfrage ist die Westschweizerin Laurence Boissier. Sie berichtet von einem Mann, der ihr am Vorabend in der Bar endlos Drinks spendierte und ihr ebenso endlos seine Traumfrau geschildert hat: Eine Reihe unbescheidener Ansprüche, von Proust-Kenntnis bis Fussball-Interesse, bittschön. Boissiers zerbrechliche, übernächtigte Erzählhaltung lässt dabei offen, wer eigentlich zu bemitleiden ist: sie oder der Anbaggerer.

Von Hausmannskost bis zur «nouvelle cuisine»

Und Noëlle Revaz macht deutlich, was heutzutage eine wahre Anarchistin ist: Ich rauche, ich möchte ein Auto kaufen, ich werfe Altpapier einfach weg, anstatt es zu sammeln – also bin ich eine Anarchistin. Wieder näher an der Küche ist Ariane von Graffenried. Sie nimmt sich in ihrer poetischen Geschichte einen rührenden Küchengeist vor.

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«Ir Chuchi» vereint die mittlerweile bewährte Hausmannskost von «Bern ist überall» mit den Eskapaden der «nouvelle cuisine» und mit moderner ambitionierter Kochkunst. Nichts gegen die «Spaghetti Bolo» eines Pedro Lenz, Beat Sterchi oder Guy Krneta. Erfreulich und verblüffend ist aber eher das Guerilla-Geköch eines Michael Stauffer oder Arno Camenisch, einer Noëlle Revaz oder Laurence Boissier. Frischer Wind weht von den Randgebieten in die Berner Küchen – also von der nichtbernischen Restschweiz – und: von den Frauen.

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