«Unterwasseroper»? Unwillkürlich schnappt man nach Luft und fragt sich, wie das wohl gehen mag, unter Wasser zu singen. Allein mit seinem Untertitel weckt das Musiktheater «Das Alter der Welt», das am Wochenende in Winterthur zu erleben ist, unsere Neugier. Um es gleich anzufügen: Es wird hier nicht nur unter, sondern durchaus auch über dem Wasser gesungen. Es ist die akustische Aura des Hallenbades, die einen besonderen Reiz hat. Und sie stand auch am Anfang des Projekts.
Die Technik: Den Tauchern abgeguckt
Vor einigen Jahren, als sie ein altes Berliner Jugendstilbad besuchte, entdeckte die Berliner Sängerin Claudia Herr die musikalischen Möglichkeiten des aquatischen Raums. Und sie hatte gleich die Idee: Hier müsste sich doch eigentlich singen, ja sogar eine Oper realisieren lassen. Zunächst entwickelte sie dafür eine eigene Gesangstechnik. Dabei verwendet sie wie ein Taucher ein Atemgerät, das sie mit Luft versorgt.
So kann sie singen, und ihre Töne werden über ein Unterwassermikrophon, ein sogenanntes Hydrophon, an die Oberfläche und dort auf Lautsprecher übertragen. Daraus entstanden diverse Projekte, aber bald auch der Wunsch, nach etwas Grösserem, in dem sich auch die mythischen Aspekte des Themas fassen liessen.
Die Musik: Robben und Walgesang aus dem ewigen Eis
Zusammen mit der Komponistin Susanne Stelzenbach entwarf Herr ein Konzept und Musik fürs Hallenbad. Beide begannen zu forschen und stiessen dabei auf die Palaoa-Horchstation in der Antarktis, eine Abteilung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Dort sucht man nach Klängen unter dem Eis, denn nicht nur Wale, sondern auch Robben senden akustische Signale aus. Von dort erhielten Herr und Stelzenbach authentische Klänge aus der Tiefe des Ozeans, die sie in ihr Werk integrierten.
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Die Story: Zwei Frauen auf der Suche nach dem ewigen Leben
Auch das Libretto von Monika Rinck wurde dadurch inspiriert. Es erzählt von zwei Frauen auf der Suche nach dem ewigen Leben und von den Robben im Packeis, die um ihr Überleben kämpfen. Es geht hier also ums Leben und um Zeit und Ewigkeit. Deshalb der Titel «Das Alter der Welt». Weite zeitliche Dimensionen öffnen sich da, und tatsächlich machen auch wir als Zuhörer am Wasser eine neue Zeiterfahrung: Alles wird langsamer, die Bewegungen im Raum, aber auch die Töne erklingen wie in Zeitlupe, magisch verwandelt, geheimnisvoll wie der Gesang der Wale. Wir entdecken dabei eine unbekannte Klangwelt.
Unterwasser-Musik – der geheime Trend
Ganz neu sind solche Musikstücke nicht. Komponisten haben sich schon öfters mit den Walgesängen beschäftigt; der Franzose Michel Redolfi schuf schon in den 80-er Jahren eine «musique subaquatique» und der Basler Beat Gysin beschäftigt sich seit langem intensiv mit Wasserräumen.
So entspricht diese Oper auch einem geheimen Trend. Nur dass hier der vokale Anteil eine zentrale Rolle spielt: «Das Alter der Welt» ist eine Handlungsoper. Zu den Stimmen – neben den Solisten wirkt ein Frauenchor mit (die Singfrauen Winterthur unter der Leitung von Franziska Welti) – treten einzelne Instrumente, vor allem Schlagzeug, die fürs Unterwassermusizieren angepasst wurden. Das alles verspricht ein völlig neues Musikerlebnis. Versprochen sei auch: das Publikum wird dabei nicht nass.