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Ein Mann fasst eine Frau am Kiefer.
Legende: Er verdreht Frauen schon seit Jahrhunderten den Kopf: Don Juan (Salome Martins und Samuel Déniz Falcón). Gregory Batardon

Bühne Er kann einfach nicht genug kriegen

Kein Rock, keine Schürze ist vor ihm sicher. Don Juan, der Archetypus des Frauenhelden, verführt, inspiriert und fasziniert seit 400 Jahren. Und: Die Figur hat nichts an Aktualität verloren. Das zeigt eine neue Choreografie am Luzerner Theater.

Herzensbrecher Don Juan schnippt mit den Fingern, schon räkelt sich die holde Meid auf seinem Bett. Der Akt: ein schnelles Vergnügen. Kaum ist die Beglückte eingeschlafen, treibt es Monsieur Nimmersatt mit dem nächsten Frauenzimmer. Quel scandale!

Am Luzerner Theater setzt der 32-jährige brasilianische Choreograf Fernando Melo Don Juans Treiben mit starken Bildern in Szene. Ein paar Bretter genügen, um erst das Liebesnest zu zaubern, später mit denselben eine Hetzjagd gegen den Anti-Helden anzuzetteln.

Zwei Prospekte reichen aus, um auf der Bühne eine Art bewegtes Bilderbuch entstehen zu lassen. Das Ensemble packt gleich selbst mit an. Lässt die Bilder laufen, indem es den Tanzboden und die Kollegen darauf bald auf die eine, bald auf die andere Seite zieht.

Verführen und verführt werden

Verführer und Verführte, Täter und Opfer werden auf der Luzerner Theaterbühne immer wieder von Mitstreitern manipuliert. Wie Marionetten finden sie in eine Umarmung oder in eine Rauferei. Gruppendruck und Gruppendynamik werden thematisiert.

«Das Publikum spielt bei uns eine aktive Rolle», erläutern Choreograf Fernando Melo und sein Ausstatter Patrick Kinmonth ihre neue Umsetzung des alten Stoffes. «Die Bilder, die wir kreieren, erlauben vielseitige Interpretationen. Jeder einzelne Zuschauer wird seine eigene haben. Wir stellen viel eher Fragen, als dass wir Antworten geben.» Antworten muss das Publikum also selber finden. Und sich fragen: Was ist meine Rolle in der Gesellschaft, was sind meine Muster und Wertvorstellungen?

Don Juan ist schon seit Jahrhunderten unterwegs

Unzählige Interpretationen hat die Geschichte von Don Juans Verführungskünsten im Laufe der Jahrhunderte hervorgebracht. 1613 wurde die Tragikomödie «El Burlador de Sevilla y convidado de piedra» («Der Betrüger von Sevilla») von Tirso de Molina uraufgeführt. 1761 folgte in Wien die erste Ballettfassung zur Musik von Christoph Willibald Gluck.

Auch Melo und Kinmonth setzen auf Gluck. Das Duo hat Don Juan zwar mit alter Musik in barockem Kleid inszeniert. Das Tanztheater ist aber alles andere als verstaubt. Die Figur des Don Juan vielmehr zeitlos modern. «Aktualitätsbezüge gibt’s genug», so Melo und Kinmonth.

Don Juan am Luzerner Theater ist ein lustvolles Spiel rund um Sex, Liebe, Leid, Macht und Machtlosigkeit. Und: Sinnlichkeit. Carpe diem!

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