Das Herz der Schweiz ist der Gotthard – zumindest für Gabriel Vetter. Mit Herz meint der Altmeister des Poetry Slams aber nicht den mystischen Kern der Eidgenossenschaft. Nein: Dieses Herz ist ein riesengrosser Stein mit Löchern, in dem die Deutschen im Stau sitzen und «La Paloma» singen.
Vetters neue CD «Vive la Résidence!» wurde live im Parterre in Basel aufgenommen. Es wird viel gelacht auf dieser CD. Denn Vetters Erzählungen und Gedankenspielereien sind witzig, grotesk, lachhaft und immer wild. Aber auch hintergründig.
Slam Poet oder Kabarettist?
Die CD zeigt: Gabriel Vetter ist zum vollgültigen Kabarettisten herangereift, vielschichtig und stets mit ganzem Körpereinsatz präsent. Fast immer gibt er Vollgas. Und manchmal geht es so schnell, dass die vielen Schichten seiner Texte zu einer einzigen verschmelzen: Zum hechelnden, quietschenden, schimpfenden, jammernden und seufzenden Performer Gabriel Vetter.
Etwa wenn er sich für die paar wenigen Superreichen in der Schweiz einsetzt, einer vom Aussterben bedrohten Art, die nur noch in Reservaten um den Zugersee herum leben kann. Dabei poltert er wie ein hemdsärmliger, rechthaberischer Volksvertreter.
Lyrik oder Literatur, Politik oder Komik
Als Kabarettisten bezeichnet er sich allerdings nicht gerne. Denn Kabarett hat für ihn in erster Linie den Anspruch, lustig zu sein. Der Poetry Slam sei grundsätzlich offener: Ein Gefäss, in welches jeder und jede das geben kann, was er oder sie will.
Das kann Lyrik sein oder Literatur, Politik oder Komik. Dass die kabarettistisch orientierten Slammer stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, das habe seine Logik: «Kabarettistisches erhält mehr Bühne und mehr Publizität, weil es leichter zugänglich ist für ein grösseres Publikum.»
Hausautor am Theater Basel
In den vergangenen zehn Jahren ist Vetter zweimal zum deutschsprachigen Slam-Poetry-Champion gewählt worden, hat den begehrten Kleinkunstpreis «Salzburger Stier» erhalten und ist im biblischen Slam-Poetry-Alter von 28 Jahren auch noch Schweizer Slam-Meister geworden. Heute versteht er sich eher als Schriftsteller, als Schreibender: In der laufenden Spielzeit ist er Hausautor am Theater Basel.
Dort hat sein erstes Theaterstück «Der Park» am 19. April Premiere. Dieses Stück handelt, wie viele seiner Bühnentexte, von der Schweiz: Eine Schweiz der Zukunft, die zum Disney-Park für asiatische Touristen geworden ist. Die Schweizerinnen und Schweizer sind Parkbewohner und Parkwächter. Eine beängstigende oder eine beruhigende Vision?
Die moderne Wurst
Die CD «Vive la Résidence!» enthält Nummern aus Vetters aktuellem Bühnenprogramm, in dem ausser der Schweiz auch seine engere Heimat, der Thurgau, angegangen wird. Auf den Thurgau geht Vetter mit dem verbalen Zweihänder los. Warum nur? Weil er am liebsten das kritisiert, was er am besten kennt, sagt er.
Vetter ist kein Blödler vom Dienst, kein sauglattistischer Wortverdreher. Bei ihm geht es um die Wurst. Etwa, wenn zwischen Metzgerlehrling Gonzo und Metzgerlehrling Hans-Jörg im Kunstmuseum ein Streitgespräch über die moderne Wurst ausbricht. Ein typisches Thema für typische Dumpfbacken, denkt man. Aber Achtung! Ersetze «Wurst» durch «Kunst», und es wird zum Grundsatzdisput über moderne Kunst. Ein Highlight der Schweizer Satire.