Auf dem Cover ihres Albums «Digger» posieren die Mitglieder der Band The bianca Story als Bergarbeiter unter Tage. Sie könnten aber auch Archäologen sein. Denn an der Deutschen Oper Berlin haben sie ein Stück herausgebracht, das auf dem Gilgamesch-Epos basiert – einem der ältesten literarischen Texte der Menschheit. Untermalt wird die Aufführung mit Songs aus «Digger».
The bianca Story ist eine Band, die das Format des Konzerttheaters kultiviert hat. Schon vor zwei Jahren brachte sie die Performance «M & The Acid Monks» heraus, ein Stück nach dem Roman «Die Elixiere des Teufels» von E.T.A. Hoffmann. Und nun «Gilgamesh Must Die». Das Thema, das sie bei ihrer neusten Produktion interessiert, ist die Vergänglichkeit.
Gilgamesch, der zu zwei Dritteln Gott und zu einem Drittel Mensch ist, hat so riesige Kräfte, dass sich niemand mit ihm messen kann. Alle leiden unter seinem Tatendrang, bis die Muttergöttin Aruru ein neues Wesen erschafft, das ihm ebenbürtig ist. Es heisst Enkidu und wird sein bester Freund. Entsprechend verzweifelt ist Gilgamesch als Enkidu stirbt. Er will den Tod bezwingen und selbst unsterblich werden, aber das gelingt ihm nicht. Am Ende weiss er, dass nur sein Name unsterblich werden kann. Er beginnt mit dem Bau einer Mauer, die seine Heimatstadt Uruk vor Feinden schützt.
Die Geschichte ist fragmentarisch auf alten Steintafeln überliefert, und diese Tafeln sind die Basis der Inszenierung von Daniel Pfluger (der auch schon bei «M & The Acid Monks» Regie führte).
Gilgamesh im Hier und Heute
Gleich am Anfang erscheinen sie als Projektion auf einem transparenten Vorhang. Als er geöffnet wird, beginnt die Geschichte: 14 Berliner Jugendliche spielen einen Chor, der – vergleichbar mit dem Chor einer antiken griechischen Tragödie – die Handlung kommentiert. Zuerst kauern sie vor einem Podest, auf dem die Band spielt, dann umringen sie eine Erzählerin, die über Gilgamesh berichtet. Aus den gesprochenen Texten, die mit Gitarren- und Keyboardklängen unterlegt sind, treten die Songs hervor, Lieder, die auf poetische Weise Stimmungen und Konflikte des Stücks akzentuieren.
Die Musik ist zwischen Hard Rock und Folk angesiedelt, aber nicht auf einen Stil festgelegt. Und trotzdem hat sie einen Wiedererkennungswert.
Wenn der Saal bebt
Der Klang von The bianca Story wird vor allem durch den Gesang definiert. Im Vordergrund ist meist Elia Rediger zu hören, der Leadsänger, der von anderen Bandmitgliedern begleitet wird. So entsteht eine Vielstimmigkeit, die etwas sehr Sehnsuchtsvolles hat – lang ausgehaltene Töne, die irgendwohin schweben, fast wie Kirchenmusik. Dazu kommen drei oder vier Gitarren, ein Keyboard und ein markantes Schlagzeug, das den Klang wieder erdet. Bei der Premiere in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin hat es die gesamte Zuschauertribüne vibrieren lassen.
Ein Abend mit mehr als nur einer Überraschung
Neben der Band tritt Christina Sidak auf, eine Opernsängerin, die der zum Teil recht hart klingenden Musik einen klassischen Sound hinzufügt.
Der Kontrast wirkt reizvoll. Man hört eine warme Mezzostimme, die über metallischen Beats eine weiche Melodie singt. Manchmal wird die Stimme auch bewusst verzerrt wiedergegeben, je nachdem welche Rolle Christina Sidak im Stück gerade spielt. Ein Ansteckmikrofon macht's möglich.
Die grösste Überraschung des Abends ist jedoch der jugendliche Chor. Die Teenager haben eine Bühnenpräsenz, wie man sie von Profis kennt – und das ist selten im Amateurtheater. Diese Produktion könnte auch an renommierten Bühnen im Abendspielplan laufen.