Wo René Pollesch draufsteht, ist das anregendste, inspirierende Diskurstheater drin. Der Berliner Regisseur steht für ein Theater, das präzis im Alltag und seinen gedanklichen Floskeln ansetzt und von da zu den schönsten, intellektuellen Höhenflügen abhebt.
Am Wochenende kam René Polleschs jüngstes Theaterprojekt im Schauspielhaus Zürich zur Uraufführung, «High (du weisst wovon)». Ein abermals typischer, belebender Pollesch und bei allen euphorisierenden Girlanden auch ein Theater der absoluten intellektuellen Präzision.
Setting mit Schwindelgefahr
In der Schiffbauhalle steht eine Mischung aus Circus Maximus und Laufstadion, mithin aus Hollywood und Leichtathletik, eine ovale Laufbahn den Wänden entlang, die Zuschauer sitzen mittig auf zwei Tribünen, Rücken an Rücken: Da knallt allein schon das Setting.
In diesem Raum von Bühnenbildnerin Barbara Steiner, in dem sich alles im Kreis dreht, dreht sich nun auch kommunikativ das Karussell, oder vielmehr die zirzensische Parade: mit einer Gruppe von vier SchauspielerInnen und einem Damen-Sprechchor, dazu Luftballons, ein Raubtierkäfig, aufgeblasene Monster auf Fahrrädern.
Da rennt einer hinter dem andern – oder sich selbst – her, das Missverständnis dauert an.
Der Bedeutung entkommen
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Pollesch hat wie stets einen klaren Blick auf diffuse Themenlagen. Er stellt seine Fragen, die auch das Theater selbst angehen – nach Wahrnehmung und Anschauung, vorgeordneten Festlegungen, Ordnungssystemen, nach der «Bedeutung, und wie man ihr entkommt», wie es immer mal wieder heisst – also auch nach Repräsentation und mithin der Funktion des Theaters selbst.
Im Grunde ist es eine erfrischende materialistische Dusche gegen idealistische Überhitzung. Pollesch nimmt dann sozusagen den Wasserschlauch und spritzt damit die fröhlichsten Girlanden in die Luft: «Man geht fälschlicherweise davon aus, wenn man zwei Personen auf einer Bühne sieht, dass die miteinander sprechen; und wenn man eine Person sieht, dass die denkt. Und das ist die komplett falsche Repräsentation von menschlichem Handeln. Denn denken kann man nur zu zweit, und sprechen, jedenfalls sollte man das versuchen, kann man nur komplett alleine.»
Hilfestellung durch Live-Video
Anregend und amüsant ist der Abend ohne Frage, klug gedacht wie immer bei Pollesch – ein Einwand betrifft allein die Spielanlage, dieses Setting, in dem sich manches dann eben auch verläuft.
Trotz Hilfestellung durch Live-Video – die Spielanlage hat etwas Beliebiges, auch etwas Angestrengtes, gewiss auch Anstrengendes für die Spieler.
Der Abend verliert dadurch an Dringlichkeit, es scheint, Pollesch kommt besser zur Wirkung in der frontalen Konfrontation, wenn seine Gedanken und Argumente richtig aufs Publikum knallen. In diesem Rundumlauf verliert der Abend an Präsenz. Auch an intellektueller Präsenz.
Sendung: Kultur aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 09.01.2017, 17:15 Uhr.