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Bühne «Hopscotch» in Los Angeles: eine Oper in 24 Limousinen

Avantgarde-Regisseur Yuval Sharon sprengt Grenzen: In seiner neusten Oper «Hopscotch» spielen 24 Szenen abwechselnd auf engstem Raum in Limousinen und im weiten, öffentlichen von Los Angeles. Da kann bei jedem Ortswechsel etwas schief gehen.

Zuschauer erfahren vier Tage vor der Aufführung, wann und wo sie sich für das Opernexperiment «Hopscotch» einfinden müssen. Wer zu spät kommt, verpasst die Inszenierung. Was unterwegs geschieht und wohin die Reise führt, ist eine Überraschung.

Beispiel «Gelbe Strecke»: Los geht's mitten in Downtown Los Angeles – zwischen Art-Deco-Gebäuden, Wolkenkratzern und Passanten auf engen Bürgersteigen. Am Strassenrand parkt eine schwarze Limousine mit verdunkelten Scheiben. Vier Zuschauer sinken in deren Ledersitze. Schon steigt ein Sänger ein, schaut sie kurz an, die Karosse rollt in den Verkehr, er beginnt zu singen.

Ab über die Feuerleiter

Vor den Fenstern werden Baustellen, Strassencafes und Wolkenkratzer zur Kulisse. Die Karosse dämpft Grossstadtgeräusche. Schon wenige Minuten später hält die Limousine vor einem Theater. Dort treffen die Zuschauer auf eine Sängerin und ein überraschendes Duett im leeren Zuschauerraum. Zehn Minuten später stehen sie im gleissenden Sonnenlicht und tasten sich leicht benommen die Feuerleiter des Theaters hinunter. Dort warten schon die nächste Limousine und das nächste Abenteuer.

Der Regisseur

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Der «Avantgarde-Opern-Liebling» Yuval Sharon sorgte mit seiner Truppe «The Industry» 2013 mit der Inszenierung «Invisible Cities» im Hauptbahnhof von Los Angeles für Furore. 2014 erhielt Sharon den Götz Friedrich-Preis für seinen «Doctor Atomic». 2016 inszeniert er an der Wiener Staatsoper «Drei Schwestern» und in Karlsruhe Wagners «Walküre».

Yuval Sharon und seine Kompanie «The Industry» haben sich dieses Experiment ausgedacht. Sie wollen durch innovative Verknüpfung aller Opernelemente und Mediennutzung ein neues, jüngeres und nicht unbedingt hochgebildetes Publikum für das Genre begeistern.

Auf drei unterschiedliche Routen kreuz und quer durch Los Angeles erzählt «Hopscotch» eine Geschichte von Verlust, Liebe, Träumen und Unterwelt. Die Zuschauer erleben auf ihrer Reise jeweils acht Kapitel dieser Geschichte in nicht linearer Reihenfolge.

In den Limousinen hören sie Stimmen und Instrumente hautnah. Trommelwirbel, Gitarrensolo und Klagelieder kommen direkt ins Ohr. Andere Szenen spielen im öffentlichen Raum wie in leeren Lagerhallen, auf Hochhausdächern oder mitten in der Fussgängerzone von Chinatown.

Orientierungslosigkeit erwünscht

Zuschauer verlieren unterwegs die Orientierung. «Perfekt», sagt Regisseur Sharon: «So viel Unsicherheit wie möglich ist eigentlich das Ziel. Sobald man unsicher ist, beobachtet man alles mit ganz anderen Augen und mit ganz anderen Ohren. Und dann sieht man die Stadt hoffentlich so, wie man sie nie vorher gesehen hat.»

Wenn zum Finale die Limousinen in den «Central Hub», die «Hopscotch»-Zentrale einrollen, erwartet die Zuschauer eine traumartige letzte Sequenz. Alle Darsteller und Musiker finden sich ein, bewegen sich singend zu ätherischer Musik. Auf Bildschirmen über ihnen laufen Filmaufnahmen - Live-Aufzeichnungen von allen Strecken. Benommen versuchen die Zuschauer das Erlebte zu einer Geschichte zusammenzusetzen.

Zwischen ihnen steht glücklich lächelnd Regisseur Yuval Sharon. «Soviel könnte schief laufen. Dazu lädt das Chaos ein, aber das Chaos ist auch das Leben. Alle, die mitmachen, sind so mutig. Da ist keine Zeit für Angst!»

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