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Bühne «Hunger for Trade»: Keine Klischees in Ouagadougou

Wie unterschiedlich die globale Ernährungskrise wahrgenommen wird, zeigt das Theaterprojekt «Hunger for Trade». Neun Bühnen aus aller Welt sind daran beteiligt. Eines der Stücke wurde in Burkina Faso aufgeführt – und räumte mit europäischen Vorurteilen auf. Ein Augenschein vor Ort.

Wenn Wassertropfen so viel Lärm machen, dass man sein eigenes Wort nicht mehr hört, dann regnet es in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Heftig prasselt das Wasser auf das Blechdach der Probebühne, in der das Théâtr'Evasion das neue Stück probt: «Grève de la Faim», auf Deutsch «Hungerstreik».

Wie sieht Hunger aus?

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Für das « Hunger for Trade »-Projekt hat das Théâtr'Evasion auch ein Video gedreht, in dem Menschen in Ouagadougou von ihrer Hungererfahrung erzählen: «Ich und mein Hunger – wie fühlt es sich an, hungrig zu sein?»

Ildevert Méda, der das Stück geschrieben hat, und der italienische Regisseur Luca Fusi, der seit Jahren in Burkina Faso lebt, besprechen das Stück. «Wenn es in Ouagadougou regnet, dann regnet es», meint Fusi lakonisch.

Denn so heftigen Regen gibt es nur während drei Monaten im Jahr. In diesem Zeitraum muss Burkina Fasos Landwirtschaft produzieren. Im Rest des Jahres brennt die Sonne fast alles weg. Es sei denn, man kann die Felder künstlich bewässern. Doch wer hier kann das schon?

Hunger und die weltweite Ernährungskrise sind die Themen des internationalen Theaterprojekts, an dem die Theatermacher aus Burkina Faso teilnehmen. Neun Theater aus neun Ländern (Burkina Faso, Südafrika, Indien, Deutschland, Schweiz, Brasilien, Rumänien, Belgien, England) machen mit. Das bedeutet auch neun sehr unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema. Hunger in Belgien bedeutet etwas anderes als Hunger in Südafrika.

Das Klischee vom ewigen Katastrophenkontinent

Zwei Männer auf der Bühne.
Legende: «Grève de la Faim» wurde im Rahmen des internationalen Theaterprojekts «Hunger for Trade» aufgeführt. SRF

Bühnenprobe in Ouagadougou, zwei Tage vor der Premiere. Der Regen ist der Hitze gewichen. «Hungerstreik» als Titel eines Theaterstücks ist eine Provokation auf einem Kontinent, in dem Hunger meist Resultat einer politisch-ökonomischen Misere oder einer Naturkatastrophe ist. Ildevert Méda und Luca Fusi haben sich aber gegen das Klischee vom ewigen Katastrophenkontinent Afrika entschieden.

Sie siedeln ihre Inszenierung in einer Zukunft an, die zum Teil schon Realität geworden ist. Ein Labor entwickelt genmanipuliertes Saatgut: Bohnen, die den Ertrag steigern, die aber heftige Erkrankungen auslösen.

Betroffen davon ist auch die Familie von Madame Taonsa, der Leiterin des Labors. Eine Paraderolle für die Schauspielerin Laure A. Guire, die zwischen kaltem Fortschrittsglauben und nagendem Zweifel schwankt. Dahinter verbirgt sich ein gross angelegter Diskurs um Tradition versus Moderne.

Globalisierung auf den Feldern Afrikas

Genmanipuliertes Saatgut ist auch in Burkina Faso längst Realität. Konzerne wie Monsanto stehen in den Startlöchern mit grossen Versprechungen. Dagegen wollen sich die Theatermacher wehren.

Denn die Folgen der grenzenlosen Globalisierung sind auch in Burkina Faso längst spürbar. Die auf heimischen Feldern angebaute Hirse etwa wird durch Reis verdrängt, der aus Asien importiert wird und billiger ist. Die Globalisierung überfordert mit ihrem rasanten Tempo traditionelle Kulturen wie die in Burkina Faso. Auch davon handelt Ildevert Médas Stück.

Ist eine andere Zukunft möglich?

Zwei Männer auf einer Bühne in rotes Licht getaucht.
Legende: Szene aus dem Stück «Grève de la Faim». SRF

Der Tag der Premiere. Die Nervosität steigt. Eine letzte Frage an Luca Fusi: «Was ist das Besondere an diesem Land?» Er antwortet: «Es ist so einfach für Europäer, diesen Ort einfach nur als armes Land mit armen Leuten zu sehen. Das ist nicht eure Schuld, ihr habt einfach zu wenige Informationen. Deshalb wollen wir mit diesem Stück daran erinnern, dass Afrika auch etwas zu geben hat. Nicht nur Armut, denn ausser finanzieller Armut gibt es hier auch noch etwas ganz anderes. Es gibt Würde hier. Es gibt einen anderen Weg des Zusammenlebens.»

Etwas davon wird spürbar an dieser Premiere in Ouagadougou. Da stehen Leute auf der Bühne, die etwas zu sagen haben. Vielleicht kämpfen sie auf verlorenem Posten. Denn sie wehren sich gegen die Gewalt der Beschleunigung, mit der die Globalisierung die dörflichen Strukturen und Traditionen verschwinden lässt. Gegen diese Gewalt einer falschen Modernisierung von aussen wollen sie ihre Werte setzen. Ihre Vision eines modernen Afrika.

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