Was sind das bloss für Gestalten? Sie tragen Kapuzen – wie Robin Hood und seine Gefolgschaft zu ihrer Zeit im Mittelalter. Sie wohnen in einem Glaskubus inmitten eines Biotops und sind die Beschützer der dortigen Flora und Fauna. Ihre Waffen sind der gute alte Pfeilbogen, das kabellose Internet und aufwendige Computerprogramme. Sie sind medial vernetzte Robin Hoods der Natur, die sie behüten und verteidigen inmitten von Hochhäusern.
Es qualmt und plätschert
Die Gestalten gehören zum «Swamp Club», der jüngsten Produktion des Franzosen Philippe Quesne. Der 43-Jährige, der momentan von Theaterfestival zu Theaterfestival weitergereicht wird, gilt aufgrund seiner bisherigen Arbeiten als Bilderzauberer. Diesem Ruf wird er auch mit «Swamp Club» gerecht. Kein Wunder: Quesne kommt von der Bildenden Kunst und hat als Bühnenbildner gearbeitet. Auch seine Theatergruppe «Vivarium Studio» ist interdisziplinär zusammengesetzt.
Eine wunderbare Bühnenlandschaft qualmt und plätschert dementsprechend vor sich hin. Es ist ein Miniatursumpf mitten in der Agglomeration. Ein Biotop, in dem die Menschen ebenso zur schützenswerten Spezies werden wie die Vertreter der Tier- und Pflanzenwelt.
Mysteriös ist dieser «Swamp Club», eine Art Künstler-Camp. Auf leuchtenden Schriftbändern läuft im Loop das Tagesprogramm – das Angebot reicht vom Begrüssungsapéro über die Kinovorführung in einem «Raum B» bis zur Musikprobe. Denn auch ein richtiges Streichquartett gehört zum Club. Irgendwie. Live spielt es Werke von Schostakowitsch und Schubert.
Ein mysteriöser Maulwurf
Die Handlung lässt sich Zeit, viel Zeit. Auch das ist ein Markenzeichen des Franzosen. Sie beginnt erst Form anzunehmen, als drei Neuankömmlinge auftauchen und in die Geheimnisse des Lagerlebens eingeweiht werden. Als ein Maulwurf auftaucht, kommt Bewegung in die Geschichte, die bald einmal aus dem Ruder läuft. Das Tier ist riesengross und todmüde. Ist es der verwunschene Zwergenkönig aus der Erdmitte, dessen Geschichte wir nonstop auf einem weiteren Leuchtband lesen? Es spielt keine Rolle.
Der erschöpfte Maulwurf sei ein Alarmzeichen, erfahren wir in den spärlichen Dialogen, die vom Ensemble auch akustisch bewusst an der untersten Verständlichkeitsgrenze gehalten werden. Denn ist das Tier am Limit, steht auch der Sumpf kurz vor dem Kollaps. Welche Gefahr droht, bleibt offen. Denn auch das ist zweitrangig.
Aus aussen wird innen
Philippe Quesne nutzt diese Absurdität um seinen Forscherblick noch stärker auf die Menschen zu richten. Er benutzt ihre Angst, um die Welt umzukehren. Statt Schutz zu suchen, beschützen die Swamp-Club-Bewohner die Natur. Die Aussenwelt sperren sie weg, nach innen – im wahrsten Sinne des Wortes. Bis nur noch die Künstlichkeit draussen bleibt. Verteidigungsprogramm heisst dieser Termin im ewig leuchtenden Tagesablauf.
Ob danach die Tagesordnung wieder hergestellt ist, bleibt offen. Jetzt wird klar: Philippe Quesne und sein Team üben mit ihrer subtilen Fabel Gesellschaftskritik. Der Sumpf des «Swamp Club» kann dabei durchaus als Metapher verstanden werden.