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Bühne In Israel ist Tanz ein Politikum

Die israelische Batsheva Dance Company tanzt für Menschen- und Bürgerrechte. Mit ihrem künstlerischen Leiter Ohad Naharin provoziert das international höchst erfolgreiche Ballett immer wieder die religiöse Rechte im Land. Ihr Tanz ist längst politisch geworden.

«Gaga» nennt Ohad Naharin den natürlichen Tanzstil, den er mit der Batsheva Dance Company entwickelt hat. Die Truppe feiert damit international Erfolge – und wurde so zum vielleicht erfolgreichsten Kulturexportgut Israels.

Leidenschaften und Ängste im Tanz ausdrücken

Ohad Naharin ist überzeugt, dass jeder und jede tanzen kann. Am besten täglich. Er gibt Tanz-Happenings für Laien, für Alte, Übergewichtige und auch Menschen im Rollstuhl. Jeder und jede möge durch seine Bewegungsschule «Gaga» den eigenen Körper spüren und lieben lernen.

Persönliche Freiheit mit dem Körper auszudrücken, das wirkt schnell erotisch. Und das eckt dann bei religiös-erzkonservativen Zeitgenossen an. Aber genau mit dieser Körperbetontheit, mit dem Zeigen von Emotionen, Leidenschaften, Ängsten und auch Aggressionen im Tanz, feiert Naharin nun schon seit 25 Jahren Erfolge mit der Batsheva Dance Company. Er führte die 1964 von Baronin Batsheva de Rotschild gegründete Truppe wieder zu internationalem Renommee. Als Kind aus dem Kibbutz hatte er seine Tanzkarriere einst selbst bei dieser innovativen Company begonnen.

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Zu viel nackte Haut für religiöse Kreise

«Mister Gaga» – so heisst der neue Dokumentarfilm über Ohad Naharin, an dem die Heyman-Brüder über 8 Jahre gearbeitet haben. Er läuft derzeit in israelischen Kinos und kommt in diesen Wochen auch nach Frankreich. Der Film beschreibt den Werdegang des Tänzers, Choreographen und Mannes Naharin. Und er zeigt, wie politisch Tanz in Israel ist.

Im Film zu sehen ist auch der Eklat um Ohad Naharin von 1998: Damals erhielt die Batsheva Dance Company den ehrenvollen Auftrag, zum 50. Staatsjubiläum ein Stück darzubieten. Nach der Hauptprobe kam es zu landesweiten Protesten: Religiöse und rechtsgerichtete Kreise forderten die Absetzung wegen zu viel nackter Haut. Zudem wurde der körperbetonte Tanz zu einem traditionellen Gebetsgesang aufgeführt.

Einschränkungen durch die Kulturpolitik

Provokant war das Stück – und fantastisch gut. Es provozierte Demonstrationen und Gegendemonstrationen in Israel. Aber Batsheva liess sich nicht bodigen. Die Truppe mit Naharin wurde zur Verteidigerin der Freiheit der Kunst.

Aktuell bäumen sich Naharin und Batsheva gegen die restriktive Kulturpolitik der neuen, rechts dominierten Netanyahu-Regierung auf. So nennt der Choreograph sein jüngstes Werk «avoda acharona», was «letzte Arbeit» bedeutet.

Damit wolle er aber keineswegs seine Ballett-Karriere beenden, sondern nur seiner Angst Ausdruck geben, dass dies sein letztes Werk sein könne – wenn die Kulturpolitik weiter die Meinungsfreiheit beschränke.

Kampf um Demokratie und Rechtsstaat

So kommt es nicht von ungefähr, dass am jüngsten Mitmach-Tanz-Happening Anfang März die israelische Bürgerrechts-Organisation Acri mitwirkte. Ihr fliessen auch die Gewinne des Anlasses zu, an dem über 1000 Menschen mittanzten, darunter auch die Autorin dieses Artikels. Und die Bürgerrechtlerin Sharon Avram-Weiss zeigte sich am Rande des Gaga-Tanzes überglücklich über die anhaltende Unterstützung durch Batsheva.

Bathseva und Naharin sind sehr prominent in Israel. Man könnte sie als «heimliches Nationalballett» bezeichnen. Für ihren Staat Israel, für seine Demokratie und Rechtstaatlichkeit setzen sie sich umso leidenschaftlicher ein. Die Freiheit des Tanzes ist für sie gleichbedeutend mit der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger. Das ist also gar nicht «gaga».

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