Manuel Stahlberger, E-Gitarre um den Hals, hat die Arme ausgebreitet und die Augen aufgerissen, um von Banalem zu berichten. Seinem Einkauf in der Migros. Was er kauft, werden die Zuschauer nicht erfahren. Beim Gang zwischen den Regalen beschäftigt Stahlberger nämlich nur, wie er am schnellsten wieder nach Hause kommt.
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Diese Frage, so der Verdacht, könnte ihn auch auf der Bühne ein bisschen quälen. Stahlberger ist kein geschmeidiger Entertainer, sondern ein nachdenklicher Beobachter, eher sperrig, aber doch sympathisch. Was der St. Galler unter die Lupe nimmt, verzieht sich in der Regel zur Groteske.
Zelebrierter Nonsens
Zum Beispiel in «Neumarkt», dem Einkaufslied. Es ist eine Aneinanderreihung alltäglicher Abwägungen: An welcher Kasse ist die Schlange am kürzesten, bei welchem Ausgang erwische ich am schnellsten den Bus? Die Synthesizer-Melodie und Stahlbergers grosse Gesten sorgen für Dramatik. Viel zu viel davon, so ernst sollte man den Alltag nicht nehmen. Man lacht über Stahlberger und letztlich über sich selbst.
In den letzten Jahren wurde Manuel Stahlberger vermehrt als Musiker wahrgenommen. Als der Kabarettist 2009 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde, erschien die erste CD der Band «Stahlberger». Nach einer weiteren Band-CD folgte im Sommer 2012 die erste Soloplatte, «Innerorts».
In seinem gleichnamigen Solo-Programm zeigt der Allrounder viele Talente. An Computer und Beamer präsentiert der Zeichner Jesus’ Geschichte in Piktogrammen, mit bisher unbekannten Szenen. Der Querdenker gewährt Einblick in sein neustes Hobby, das Post-Wartezettel-Sammeln und der Texter Stahlberger widmet sich eingehend seiner Zahnseide, bei der er nie wissen kann, wann er auf das Ende gefasst sein muss.
Der Kabarettist verbrüdert sich mit seinem Publikum, ohne sich anzubiedern: «Me gönd in en Lade – und grad wieder use – zum de Wirtschaft schade.» Soft-Sabotage à la Stahlberger ist ansteckend, besonders wenn man den Ungelenken dazu tanzen sieht.
«Innerorts», irgendwo um St. Gallen
Aber Stahlberger gibt es auch melancholisch. Zum Beispiel, wenn er Lebensträume besingt, die auf die Bretter dieser Welt abzielen und auf der Dorfbühne enden. So lassen zwei Künstler in «Leaving Eggersriet» ihre Träume sausen, um das gemeinsame Kind dann doch im sicheren Hafen grosszuziehen.
Fast alle Geschichten, die an diesem Abend erzählt werden, spielen sich in oder um St. Gallen ab, «Innerorts» eben. Stahlberger wurde 1974 in der Kantonshauptstadt geboren, wo mit dem Duo «Mölä & Stahli» alles begann. Inzwischen ist er zum genauen Beobachter des alltäglichen Wahnsinns geworden: Eine Art Mani Matter mit St. Galler Dialekt und elektrischer Gitarre.