Am zweiten Abend des Festivals hat sie spontan einen Überraschungs-Auftritt hingelegt: Patti Smith, Star-Gast bei der ersten Ausgabe des Spoken-Word-Festivals «Woerdz» in Luzern. «Patti Smith als Vorgruppe zu einem Slam – das ist wie den Sex mit einem Orgasmus zu beginnen», kommentierte die Moderatorin Hazel Brugger schlagfertig.
Magische Momente gleich beim ersten Mal
An Patti Smiths eigentlichem Auftritt am Freitag bittet sie einen Gitarristen aus dem Publikum spontan auf die Bühne, um mit ihr zu spielen: Sie musste sich eingestehen, dass sie es selber an diesem Abend nicht hinkriegt, sich auf der Gitarre zu begleiten.
Für diese unkomplizierte und authentische Art liebte das Publikum die Ikone aus der New Yorker Punk-Szene der 1970er-Jahre. Auch, weil sie die «Woerdz»-Organisatoren mehrmals bat, unbedingt wieder ans Festival eingeladen zu werden. Was könnte man sich mehr wünschen, als solche magischen Momente bei einer Festival-Premiere?
Ein Fest für das gesprochene Wort
Die Organisatoren des «Woerdz»-Festivals haben überhaupt Vieles richtig gemacht. Die fünf Tage wurden zum Fest des gesprochenen Wortes und einer Szene, die nicht nur sich selber feierte – sondern auch von einem heterogenen, zahlreichen und offenen Publikum gefeiert wurde.
Die Zutaten zum erfolgreichen Festival waren neben der guten Wahl des Star-Gasts mannigfaltig: Die Programmleiter haben mit sicherer Hand auch eine gehörige Portion Risikobereitschaft und Verspieltheit mit einfliessen lassen. Auch die grossen Namen der deutschsprachigen Spoken-Word-Szene hatten in Luzern ihren Auftritt: Gabriel Vetter, Jens Nielsen, Nora Gomringer, Bern ist überall, Guy Krneta, Simon Chen. Doch «Woerdz» schuf auch Platz für Pausen, Bier und Büchertisch – und wagte ein grosses Experiment.
Sechs «Rampensäue» zeigten sich risikofreudig
Das Experiment sah so aus: Drei Poeten aus Chicago (Schwesterstadt von Luzern und Geburtsort des Poetry Slams) wurden mit drei Schweizer Autorinnen und Autoren (Nicolette Kretz, Gabriel Vetter und Hazel Brugger) «eingesperrt». Mit dem Auftrag, Ende Woche ein gemeinsames Programm zu präsentieren.
Das Risiko hat sich gelohnt: Die Sechs zeigten am Samstag zu später Stunde eine kompakte und stimmige Gruppenperformance. Sechs «Rampensäue», die sich ganz und gar in den Dienst des Projekts stellten.
Ein weiter Blick auf die Spoken-Word-Szene
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Was in der sechsstündigen «Langen Nacht des gesprochenen Wortes» aufgetischt wurde, war mehr als nur ein Querschnitt durch die aktuelle, deutschsprachige Spoken-Word-Szene. Mutige Akzente im Programm haben den Begriff erweitert oder charmant damit gespielt: Melinda Nadj Abonji & Jurczok 1001 verführten mit ihrer poetisch-musikalischen Performance. Der Nachwuchs-Autor Laurin Buser begeisterte das Publikum rappend. Und dass sein Auftritt direkt auf Urs Allemanns schaurig schräge Lesung am Tisch folgte, hat den Blick auf die Spoken-Word-Szene wohltuend geweitet: Zum Poetry Slam gehört auch auch Lyrik, Rap oder Lautpoesie.
Das «Woerdz»-Festival hat die Vielseitigkeit und Offenheit der Szene eindrücklich demonstriert. Nicht nur Patti Smith will wiederkommen. Das Publikum wird es ihr gleich tun, wenn das Festival in zwei Jahren zum zweiten Mal stattfinden wird.
Sendung: Spasspartout, Mittwoch, 29.10.2014, 20.00 Uhr, Radio SRF 1