In Christoph Bartmanns Büro mitten in Manhattan hängt ein Bild des deutschen Künstlers Timm Ullrich: Ein Mann im schwarzen Mantel, mit schwarze Brille, Blindenschleife um den linken Arm, einen Blindenstock in der rechten Hand. Dazu ein Schild um den Hals, auf dem steht: Ich kann keine Kunst mehr sehen.
Dieses Bild passt zu Christoph Bartmann. Er mag die Künste und hat gleichzeitig ein kritisches Verhältnis zum Kulturbetrieb. Bartmann leitet seit zwei Jahren die Zentrale des Goethe-Instituts in New York und von der Loft mitten im beliebten Soho-Quartier, wo sein Büro ist, hat man einen traumhaften Blick auf Manhattan.
Der Traum von grossen Erfolg
Hier, wo einst in den 60er und 70er Jahren eine der wichtigsten Avantgarde-Bewegungen ihren Anfang nahm, leben schätzungsweise 20‘000 arbeitslose Schauspieler und Musiker. Prekäre Biographien sind Alltag für Künstler in New York, denn für die wenigsten wird der grosse (amerikanische) Traum, reich und berühmt zu werden, wahr.
Dennoch ist das Versprechen und der Glaube intakt, man könne es mit Kunst und Kreativität schaffen, sagt Christoph Bartmann. Es sei in den letzten Jahren sogar zu einem Schulterschluss von Künstlern und Managern gekommen. Nicht nur in New York.
Jeder ein Manager, jeder ein Künstler
In Folge des «New Public Management» sei heute unser aller Leben von einer neuen Bürokratie bestimmt, die nicht nur unseren Alltag formt, sondern uns auch beschäftigt hält, sagt Christoph Bartmann. «Unabhängig vom Beruf sind wir von einem Industriestandard beeinflusst, der uns alle zu Managern macht. Da sind auch Künstler keine Ausnahme.»
Was früher also als Gegensatz galt – Management und Kunst – ist sich näher gekommen. Nicht nur in New York will jeder ein Künstler sein. Christoph Bartmann analysiert diese Entwicklung auch auf der Sprachebene. So sind heute alle mit «Projekten» beschäftigt und stecken in «Prozessen». Der Künstler wie der Manager bezieht sich auf Kreativität und Ergebnisoffenheit. Kritik wird dabei immer schwieriger.
Zwischen Leistung und Darstellung
Gerade in den sogenannten Performing Arts, diesem Zwischenbereich von Konzeptkunst, Tanz und Theater, ortet Bartmann die (un)heimlichen Verbündeten von Finanzmanagern und Kapitalgestalter. «In der Performance spiegelt sich der Ultrakapitalismus am Direktesten. Wenn wir an der Börse das postmaterielle Wirtschaften beobachten, sehen wir auf der Peformancebühne der Zeit beim Vergehen zu. Es gibt kein Stück mehr, keine Geschichte, ja nicht einmal mehr Schauspieler.»
Ausgerechnet also in den vielleicht zeitgenössischsten Kunstformen, die keine Werke mehr herstellen, die nicht repräsentieren wollen und dafür aus den konventionellen Kunsträumen ausbrechen, schlägt die neue Bürokratie gnadenlos zu.
Kritik am System wird dabei immer schwieriger. Der Anspruch der (politischen) Kunst als Gesellschaftskritik dadurch ausgehöhlt. Eine durchaus beunruhigende Analyse.