Zum Inhalt springen
Ein schwarzer nackter Mann hält sich die Hand an die Schläfe und hat ein schmerzverzerrtes Gesicht.
Legende: Bildstark: Die Produktion «Au-delà» thematisiert Ohnmacht und Tod in der Republik Kongo. Nicolas Guyot/Compagnie Baninga

Bühne Theater Spektakel: Tiefe Einblicke in die Seelen von Nationen

Das 34. Zürcher Theater Spektakel ist Geschichte. Über 40 Produktionen waren auf und um die Landiwiese zu sehen. Prägend war diesmal kein Länderschwerpunkt sondern Persönliches, gespiegelt an der Geschichte eines Landes.

Auffallend viele Theaterschaffende haben in ihren Arbeiten kulturelle Erkundungen gemacht. Dazu haben einige einen persönlichen Zugang gewählt. So zum Beispiel der kongolesische Choreograf DeLaVallet Bidiefono: In seiner Produktion «Au-delà» hat er vor Augen geführt, wie der Tod in Brazzaville omnipräsent ist und den Alltag bestimmt. In seiner Performance mit Tänzern, einem Schlagzeuger und einem Sänger thematisiert der den Tod und die Ohnmacht bildstark und kraftvoll anhand Sterbens- und Klageritualen.

Beiträge zum Theaterspektakel

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bilanz (Kultur kompakt, 30.8.)

Trend im Theater (Reflexe, 26.8.)

Short Pieces, Plattform für Choreographen (Kultur kompakt, 23.8.)

Cirque Aïtal (Kultur kompakt, 19.8.)

Faustin Linyekula, Drums and Digging (Kultur kompakt, 19.8.)

Philippe Quesne und Bidiefono (Kultur kompakt, 16.8.)

Bichsel & Gargiulo: Die tragische Komik (Reflexe, 14.8.)

Woran die Gesellschaft krankt

Ebenso Faustin Linyekula aus dem Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo, sucht Spuren in der Geschichte des Landes und erzählt sie persönlich und eindrücklich. Auch eine südamerikanische Produktion hat tief in die Seele des Landes geschaut: Anhand Strindbergs «Julia» zeigte die Brasilianerin Christiane Jatahy, wie sehr die Gesellschaft an ihrem Erbe aus der Sklaverei noch krankt – das Resultat ist eine rassistisch und ökonomisch geprägte Zweiklassengesellschaft.

Schweiz begegnet dem Kosovo

Europas jüngere Geschichte war ebenfalls Thema auf der Bühne: Während der Ungar Kornel Mundruczo versuchte, mit dem Post-Apartheids-Roman «Schande» Ungarns schwierige Geschichte aufzuarbeiten, gab es auch Beispiele aus der Schweiz: Die Schweizer Performerin Beatrice Fleischlin und die deutsche Regisseurin Antje Schupp wagten in ihrem Projekt «Love. State. Kosovo» mit zwei kosovarischen Tänzern eine kulturelle Annäherung.

Dazu erteilten sie uns eine Geschichtslektion mit Fakten zum Konflikt und versuchten dann, ihre Klischees mit persönlichen Geschichten zu überführen. Ausgangspunkt des Projekts war eine Reise der Frauen nach Pristina.

Ein ambitioniertes Projekt, das nur teilweise funktioniert – dies vor allem in den persönlichen Geschichten der Beteiligten. Lose verknüpft werden diese mit getanzten Passagen, welche als Stimmungsbilder konzipiert sind. Letztlich sind die Bewegungsteile jedoch zu wenig lesbar; die Produktion fällt auseinander.

Was nun nach schwerer Kost klingt, zeigte sich in der Darbietung mitunter auch heiter und humorvoll.

Aufgebrochene Erzählebenen

Links zum Artikel

Es ist denn auch die Form, welche als weiterer roter Faden einige Produktionen des 34. Zürcher Theater Spektakels einte: Kaum eine Produktion hat ihre Geschichte linear erzählt. Immer wieder wurden die Erzählebenen aufgebrochen, durch andere Geschichten ergänzt – oder sogar mit technischen Mitteln gespiegelt. Gerade im letzten Punkt überzeugte Christiane Jatahys Arbeit «Julia» einmal mehr: Die Brasilianerin – eigentlich Filmerin – erzählte die Handlung mit Filmmaterial, das teils vorproduziert wurde, teils live auf der Bühne entstand.

Kauzige Pappfigur spielt Moses

Eine von Hand geführte Puppe mit einem Kopf aus Karton.
Legende: Kauzige Puppe aus «The Table». Nigel Bewley

Gänzlich auf Schlichtheit setzte die Produktion «The Table» des britischen «Blind Summit Theatre». Diese Gruppe hat sich auf Bunraku spezialisiert, eine alte Form des japanischen Puppenspiels. Dabei führen jeweils drei Spieler eine Figur. In «The Table» beschränkte sich das Ensemble auf eine Puppe – einen kauzigen älteren Herrn aus Karton und Stoff.

Das Stück sollte sich eigentlich um Moses' zwölf letzte Lebensstunden drehen. Dazu kam es aber kaum, denn die Puppe war immer wieder abgelenkt, referierte über das Puppenspiel als solches, erzählte anderes, gespickt mit dem berühmten britischen Humor und viel Situationskomik.

«Blind Summit Theatre» zeigte Erwachsene, die mit Herzblut und voller Fantasie mit Puppen spielen – und ein Publikum, das ihnen begeistert dabei zuschaute. Solche Erlebnisse machen glücklich, solche Momente beschert nur Theater. Auch diese Erkenntnis gehört zum Theater Spektakel.

Meistgelesene Artikel