Gerade mal drei Stunden haben wir Zeit, statt der zwölf Tage, die die Konferenz real dauern wird. Ich bin ausgerechnet in der Delegation von Australien gelandet, nicht eben der Held in Sachen Umweltschutz.
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Im Rahmen des Festivals «Spielart» steht in München die Produktion «Welt-Klimakonferenz» auf dem Programm. Das Projekt hatte vor einem Jahr am Schauspielhaus Hamburg Premiere und wird dort seither vor ausverkauftem Haus gespielt. Genauer gesagt: Spielen muss in diesem Projekt vor allem das Publikum.
Am Anfang scheint es leicht ...
Jeder und jede ist einer der 195 Delegationen zugeteilt und wird zum Start mit den Grundinformationen des Landes versehen. Australien etwa: hoher Wohlstand, hoher CO2-Ausstoss – mit 26,45 Tonnen pro Kopf auf Rang 10 der Weltrangliste – und bis jetzt zu wenig Engagement, in erneuerbare Energien zu investieren. Dies, obwohl das Land die Folgen der Klimaerwärmung durch Dürre und Waldbrände bereits zu spüren bekommt. Auch an diesem Abend wird Australien mit dem unrühmlichen Titel «Fossil of the Day» ausgezeichnet werden.
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Die Aufgabe klingt auf den ersten Blick gar nicht so schwierig: Jede Delegation muss verbindlich festlegen, um wieviel Prozent ihr Land die Emissionen bis zum Jahr 2020 bzw. 2050 reduzieren will. Die reichen (Verursacher-)Länder sollen ausserdem in einen Fonds einzahlen. Die von den Klimaschäden stark betroffenen Länder können Ausgleichleistungen verlangen.
... aber dann kommt der Stress
Unterstützung versprechen 18 Berater: Politiker, Wissenschaftlerinnen, Journalisten. Hochkarätige Experten aus dem realen Leben, die in Sachen Klima und Klimakonferenzen Bescheid wissen.
Der Zeitplan ist eng: Im Takt von 20 Minuten hetzen wir vom Regionalgruppentreffen im Malsaal zur Strategieberatung in der Kantine und haben dazwischen noch ein bilaterales Treffen mit Schweden. Das Setting ist eine logistische Hochleistung. Ernsthaftes Bemühen, den Ernst der realen Situation zu verstehen, und spielerischer Übermut wechseln sich ab. Doch hat diese Spielanordnung überhaupt etwas mit einer realen Klimakonferenz zu tun?
Man kann es fahrlässig nennen, auf welcher dünnen Faktenebene wir am Schluss unsere Entscheide fällen. Doch darum geht es nicht. Das Stück «Welt-Klimakonferenz» macht das Publikum nicht zu Akteuren einer tatsächlichen Politik, sondern eröffnet ihm einen Erfahrungsraum über die Struktur solcher Konferenzen. Und damit auch ihrer Anfälligkeit.
Beobachten und reflektieren
Das kann Theater, das ist die Stärke der Kunst: Beobachten und reflektieren, Erlebnisse stiften, eine andere Perspektive auf die Welt eröffnen.
«Welt-Klimakonferenz» ist denn auch nicht das einzige Theaterprojekt, das sich mit den brennenden Klimafragen beschäftigt. Im Herbst fand in Köln ein ganzes Festival unter dem Titel «Save the World» statt. Auch in Film, Literatur und der bildenden Kunst gibt es viele Werke und Projekte, die sich direkt oder indirekt mit der Erderwärmung und ihren Folgen auseinandersetzen.
Neue Perspektiven von Seiten der Kunst
Warum auch nicht? Künstler und Künstlerinnen sind so bedroht und betroffen von den klimatischen Veränderungen wie alle anderen Bürger auch. Mit den Mitteln der Kunst können sie Erfahrungsräume eröffnen und sich für gesellschaftliche und künstlerische Positionen stark machen, wie es Politikerinnen und Wissenschaftlern nicht vergönnt ist.
Am 11. Dezember, dem letzten Tag des Pariser Klimagipfels, wird im Hamburger Schauspielhaus zum vorerst letzten Mal «Welt-Klimakonferenz» gegeben werden. Mit einer geplanter Live-Schaltung nach Paris.