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Freilichtbühne in Tribschen mit Bergpanorama.
Legende: Alle zwei Jahre finden die Freilichtspiele Luzern statt. «Wetterleuchten» wird vom 11. Juni bis 17. Juli aufgeführt. Keystone

Bühne «Wetterleuchten» – Theater am und im See

Nach den Tellspielen Altdorf und dem Welttheater Einsiedeln inszeniert Regisseur Volker Hesse nun wieder draussen und wieder mit Laien für die Freilichtspiele Luzern. Am Ufer des Vierwaldstättersees war die Premiere von Beat Portmanns Stück «Wetterleuchten». Eine Hauptrolle darin spielt die Natur.

Freilichtspiele Luzern

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«Wetterleuchten» von Beat Portmann in der Inszenierung von Volker Hesse, noch bis 17. Juli: freilichtspiele-luzern.ch

Atemberaubend ist die Aussicht von der Tribüne aus über den See: Rot glühen die Schneefelder der Rigi im Abendlicht, später werden sie sich blau verfärben, noch später steigen Nebel aus dem See in die kühle Nachtluft. Gegen dieses Naturspektakel kommt nur ein Profi an – und Regisseur Volker Hesse ist Profi. Er nutzt die Schönheit dieser Seen- und Gebirgslandschaft als Kulisse, setzt aber nicht alleine auf sie.

Die Luzerner Freilichtspiele verpflichteten Hesse für die aktuelle Ausgabe der jährlichen Theatervorführungen auf der Halbinsel Tribschen. Hier hat bereits Richard Wagner bei seinem vierjährigen Aufenthalt die Natur hymnisch besungen und lobte am 29. April 1866 in einem Brief an seinen Gönner König Ludwig II. die «Wunderwelt» um ihn herum: «Ich kenne keinen schöneren Ort als diesen», schrieb der Komponist seinem «holden Schutzherrn».

Seebühne in Tribschen.
Legende: Gewaltige Kulisse: Die Bühne in Tribschen. Keystone

Antidot im Wagnerjahr

Es ist den Veranstaltern hoch anzurechnen, dass sie beim diesjährigen Richard-Wagner-Trubel zum 200. Geburtstag des Komponisten nicht mitmischen. Sie setzten auf die Uraufführung eines Stücks, das mit Wagner überhaupt nichts zu tun hat, aber dennoch lokal verankert ist.

Prekäre Situation

«Wetterleuchten» von Beat Portmann erzählt vom harten Leben in einem Fischerdorf am Vierwaldstättersee. Drei Kriegsheimkehrer destabilisieren eine prekäre Situation weiter.

Söldner waren sie, wie viele Schweizer, in einer nicht näher verorteten Vergangenheit. Nach der Rückkehr der drei lösen sich etablierte Hierarchien auf, die Dorfgesellschaft gerät in Schieflage. Ob sie kippt, bleibt offen.

Surrealistische Akzente für die Naturkulisse

Volker Hesse inszeniert das Dialektstück mit rund 60 Laienschauspielern und sechs Profis. Er verdichtet das Geschehen, spielt mit der Tiefe seines «Bühnenbilds», also der Aussicht auf den See. Während vorne noch ein intimer Dialog spielt, passiert hinten etwas Neues: Ein Schiff landet am Steg, treibt die Handlung voran.

Dem Realismus einer atemberaubend schönen Natur setzt Hesse mit seiner Inszenierung surrealistische Akzente auf. Im tiefen Blau der Nacht gleitet gegen Ende des Abends ein Totenschiff über die Seefläche, lebende Schatten bevölkern es, feiern eine okkulte Messe um einen brennenden Kreis, später rotiert die ganze Dorfgesellschaft in einem wilden Tanz um eine gestürzte Madonnenstatue: Voodoo mitten in der Postkartenidylle. Das hätte Fellini nicht besser hingekriegt. Ein starker Auftakt der diesjährigen Freilichtsaison.

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