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Bühne Wie Schweizer schwofen

Alte Tanz-Aufnahmen aus der Schweiz gibt es nur wenige. Um dem Vergessen vorzubeugen, sammeln und restaurieren zwei Schweizer Institutionen die historischen Dokumente – und filmen neue Tänze. Einblick in die Schätze gibt «Dance on Screen»: ein Filmabend über Senioren-Discos und die Streetparade.

Wer am Filmabend «Dance on Screen» teilnimmt, bekommt wahre Filmperlen zu sehen. Etwa einen Ausschnitt aus dem Schweizer Fernsehen 1965, in dem der letzte Schrei der Tanzmode vorgestellt wird: Den «Müntschi-Schwof», der in Zürich ein wahres Tanzfieber auslöste.

Zu dieser lüpfigen, live gespielten Musik brauchte es kaum tänzerisches Talent. Wie der Fernseh-Reporter damals süffisant kommentiert, reicht zum Erlernen die Maximallehrzeit von 30 Sekunden aus. Bei dem lappländischen Volkstanz ging es nicht um raffinierte Schritte und Drehungen, sondern schlicht und einfach ums Küssen.

Schütteln und twisten

Tanzkultur auf Kino-Tournee

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Zum ersten Mal wird «Dance on Screen» am 12.11.2014 im Stadtkino Basel um 19 Uhr gezeigt. Dazu findet ein Podiumsgespräch statt. Informationen zu den nächsten Vorstellungen in anderen Schweizer Städten gibt es hier .

Nicht weniger kurios erscheint aus heutiger Sicht die erstaunlich polemisch gestaltete Sendung von 1962 zum Twist als jüngstem Trendtanz. Etwas abschätzig heisst es, bei diesem Tanz würde doch einfach «im oberen Knochenbau etwas herumgeschüttelt». Ein dazu befragter Tanzlehrer attestiert dem Twist immerhin «die schöne Körperbewegung, die niemandem schaden wird».

Dass diese und andere historische Dokumente erhalten geblieben sind und noch heute mit Schmunzeln zu Gemüte geführt werden können, ist dem Verein Memoriav zu verdanken. Er hat sich zum Ziel gesetzt, audiovisuelle Kulturgüter aus den Bereichen Foto, Ton, Film und Video zu dokumentieren, zu restaurieren und allgemein zugänglich zu machen. Partnerorganisationen sind u.a. das Schweizer Filmarchiv in Lausanne , SRF und das Schweizer Tanzarchiv .

Das älteste Dokument stammt aus den 1930er-Jahren

Gerade für den Tanz – ein immaterielles Kulturgut und eine vergängliche Bühnenkunst – spielen filmische Dokumente eine grosse Rolle. Sei es als historisch-gesellschaftlich bedeutsames Relikt oder als künstlerischer Bezugspunkt. Welches Veränderungspotenzial hat Tanz in unserer Gesellschaft? Welche Tänzer und Choreografinnen haben in der Schweiz künstlerische Spuren hinterlassen? Wie muss man sich deren Arbeiten eigentlich vorstellen?

Der älteste filmische Auszug in «Dance on Screen» stammt vermutlich aus Mitte der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Es ist die Choreografie «Danse macabre» von Sigurd Leeder, einem Tanzpionier, der in der Schweiz eine Schule gegründet und zahllose Tänzer beeinflusst hat. Über ein solches Dokument zu verfügen, ist ein seltener Glücksfall.

Auch zeitgenössischer Tanz wird dokumentiert

Neben gesellschaftlich interessanten Themen wie Paartanz-Renaissance, Senioren-Disco und Streetparade gibt es in «Dance on Screen» auch Videoaufzeichnungen zeitgenössischer Tanzschaffender. Denn sollen aktuelle Tanzaufführungen zukünftig nicht das gleiche Schicksal wie ihre Vorgänger erleiden, nämlich das Vergessen, muss etwas dagegen unternommen werden.

Diese Aufgabe übernimmt das Tanzarchiv Zürich, indem es Tanzschaffende dabei berät und unterstützt, ihre Arbeiten auf qualitativ hochstehende Weise filmisch festzuhalten. Bei den fünf gezeigten Tanzvideos von 1990 bis 2010 liegt der Fokus auf der Kunstform Tanz und der jeweiligen filmischen Umsetzung. Die Palette der vorgestellten Filmdokumente bietet einen breiten Mix, ist spannendes Zeitdokument und Zukunftsprojekt in einem.

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