Vor drei Jahren lud man ihn zum Theatertreffen ein, zu den Oscars der Bühnenkunst. Auch andere Abende von ihm wurden ausgezeichnet – in Hamburg, Dresden und Bochum. Der 36jährige Regisseur Roger Vontobel kommt wirklich nicht zu kurz. Dennoch: Wenn der Zürcher nun auf der grossen Bühne des Deutschen Theaters in Berlin inszeniert, ist das noch einmal ein Sprung.
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In Berlin sitzen die meisten Theaterkritiker Europas, die schärfsten dazu. Und das Deutsche Theater steht unter besonderer Beobachtung. Hier wurde immer wieder Theatergeschichte geschrieben. Auch wegen der vielen tollen Schauspieler. Ein bisschen sind sie mit Rennpferden vergleichbar: schnell, aber nicht unbedingt pflegeleicht. Dieses Schauspielensemble weiss, was es kann, und zeigt den Regisseuren gerne mal die Muskeln.
Schweizer erklärt den Berlinern Berlin
Roger Vontobel möchte den Schritt auf die grosse Bühne des Deutschen Theaters aber nicht als «Sprung sehen», es komme ihm «mehr auf die Menschen an, mit denen man arbeitet, als auf den Ort» sagt er vor der Premiere. Was er an den «Menschen» hat, vor allem an den Schauspielern, weiss er natürlich. Er schätzt gerade ihre Kraft, auch ihre Widerborstigkeit: «Es ist viel Reibung da, weil das alles tolle Künstler sind, ein sehr starkes Ensemble. Das sind Kollegen, die viel Erfahrung haben, und viel eigene Persönlichkeit mit in die Arbeit bringen. Da treffen kräftige Sichtweisen aufeinander.»
Es gibt auch inhaltliche Gründe, ein bisschen nervös zu werden. Denn Roger Vontobel kommt nicht nur als Schweizer ans Deutsche Theater nach Berlin. Er zeigt den Berlinern auch eine Berliner Geschichte: «Wolf unter Wölfen» von Hans Fallada ist ein Roman von gut 1200 Seiten, der während der Geldentwertung von 1923 spielt – in Berlin.
In der Krise zählt nur das Hier und Jetzt
Mit seiner Romanbearbeitung für die Bühne will Vontobel «neugierig machen auf die Zwanzigerjahre, und dadurch auch neugierig auf unsere Zeit, wo da die Ähnlichkeiten sein könnten.» Es geht um die Entwertung des Geldes, um die Wertlosigkeit des Menschen, die daraus folgt. Und darum, wie man sich in Zeiten grosser Ängste verhält.
Wenn Roger Vontobel nach der Probe im Deutschen Theater quer durch Berlin nach Hause fährt, muss er nicht lange suchen, bis er die Schnittmenge zwischen 1923 und heute findet. «Wenn ich dann die Massen sehe, die in dieser Stadt Party machen, denke ich: Es zählt nur das Hier und Jetzt. Morgen ist vollkommen egal.»
Berlin war das Thailand der 20er Jahre
In der Romanvorlage für Vontobels Theaterabend ist es die Angst vor dem harten Dollarkurs zur weichgekochten Mark, die den Taumel auslöst. «Berlin war das Thailand der Zwanzigerjahre», sagt Vontobel, «ein beliebtes Ziel für Sextouristen.»
Davon ist die Stadt heute weit entfernt. Aber dass hinter der Fassade der Partystadt Berlin auch heute noch Angst und Armut wohnen, ist bestimmt auch Touristen schon aufgefallen.