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Clownin Gardi Hutter «Kleinkunst klingt wie Kleinholz»

Jedes Jahr im April fegt die Künstlerbörse in Thun den Winter von der Bühne. Mit hoher musikalischer Energie, Witz und existentieller Poesie.

Die Schweizer Künstlerbörse steht fürs kreative Ausloten menschlicher Fragen. Und sie steht seit ihrer Gründung 1975 für Karrierestarts, beispielsweise den der international bekannten Clownskünstlerin Gardi Hutter.

Gardi Hutter

Clownin

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Gardi Hutter ist eine Schweizer Clownin. Sie hat international unzählige Bühnen bespielt und wurde für ihr Werk unter anderem mit dem Schweizer KleinKunstPreis ausgezeichnet.

SRF: Erinnern Sie sich an Höhepunkte der Künstlerbörse, die Sie besonders geprägt haben?

Gardi Hutter: (Lacht) Es sind nicht die Höhepunkte, sondern die Samen, die für mich als Künstlerin spannend sind. Wo entsteht etwas. Wo ist eine neue Idee?

Wir hatten einen Moment, wo wir dachten, wir können die Welt verändern.

Wo ist eine?

Seit den Nullerjahren ist Comedy «in» und alles, was physisch-visuelles Theater ist, ist selten geworden. Das läuft aber zyklisch ab, die Zeit kommt wieder.

Wie hat sich die Szene seit 1975 entwickelt?

Ich meine, dass wir Älteren eine extrem gute Zeit erwischt haben: die 70er- und 80er-Jahre. Wir hatten einen Moment, wo wir dachten, wir können die Welt verändern.

Es sind überall Theater entstanden. Wir Künstler hatten viele Arbeitsorte und gleichzeitig gab es in der Gesellschaft ein grosses Bedürfnis, neue, inhaltlich spannende Sachen zu sehen.

Wir konnten uns gegenseitig entwickeln. Heute gibt ein riesiges Angebot gut ausgebildeter Künstler, aber es gibt eher weniger Veranstalter.

Ueli Bichsel und Silvana Gargiula.
Legende: Kleinkunst hinter Gittern: Ueli Bichsel und Silvana Gargiula. Sabine Burger

Während das Kabarett aktuelle Debatten wie #MeToo, Klimawandel oder Populismus abbildet, scheint es zuweilen, als bewege sich die Clownskunst in einer ästhetischen Zeitkapsel. Täuscht der Eindruck?

Es ist nicht nur das politisch ausformulierte, was politisch ist. Ich finde, ich mache politisches Theater. Es geht bei mir um Tod, Gier und unsere menschliche Beschränktheit – in einem philosophischeren Rahmen.

Manchmal habe ich das Gefühl, das Theater ist so was von anachronistisch. Aber ich bin immer wieder überwältigt, wie die Leute mitlachen und mitweinen.

Es geht also um die ganz grossen Fragen, wie sympathisch ist Ihnen da der Begriff «Kleinkunst».

Uns ist der Begriff seit 30 Jahren zuwider. Er klingt wie Kleinholz. Sobald uns jemand einen neuen Namen bringt, wir werden ihn sehr belohnen.

Die 60. Ausgabe der Künstlerbörse wird getragen vom neu geschaffenen Künstlerverband «t.» Eine Fusion von «ACT» und «ktv». Sind erste Früchte zu erkennen?

Ich war Mitglied beider Vereine, und die waren über Jahre voller Abgrenzung. ACT stand für professionelles Theater und «ktv» war mehr für das Unterhaltende. Da war gegenseitig ein grosses Misstrauen.

Wenn wir aufhören, geht ein Stöhnen durch den Saal.

Heute sind diese Grenzen auch in der Gesellschaft nicht mehr da, und deshalb finde ich es – auch wenn es durchs Bundesamt erzwungen wurde – ganz wichtig, dass die Verbände zusammengekommen sind.

Kann die Kleinkunstszene die Sehgewohnheiten der Generation «Netflix» überleben?

Manchmal habe ich das Gefühl, das Theater ist so was von anachronistisch. Aber ich bin immer wieder überwältigt, wie die Leute mitlachen und mitweinen.

Die Energie ist so dicht, und wenn wir aufhören, geht ein Stöhnen durch den Saal. Es passiert emotional so viel, die Bühne ist einer der letzten Orte, wo der Austausch nicht über Medien läuft.

Schweizer Künstlerbörse

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Gegründet wurde die Schweizer Künstlerbörse 1975. Seit 20 Jahren öffnet sie jeweils im April im Kultur- und Kongresszentrum Thun ihre Vorhänge.

In drei Tagen sind dutzende Kurzauftritte renommierter oder neu zu entdeckender Kabarettistinnen, Clowns, Theaterformationen, Musikerinnen oder Pantomimen zu erleben.

2019 wird die Börse zum ersten Mal vom Verband «t.» veranstaltet, einer Fusion des Berufsverbands der freien Theaterschaffenden «ACT» und der KünstlerInnen, Theater und Veranstalterinnen-Vereinigung «ktv», dem Gründerverein der Künstlerbörse.

Das Gespräch führte Lukas Holliger.

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