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Bühne Der Hype um «Hamilton»: Ein Broadway-Musical-Phänomen

Der Tony ist der höchste Preis für Broadway Musicals, «Hamilton» war in 16 Kategorien nominiert – und hat 11 gewonnen. Alle Vorstellungen sind ausverkauft, hunderte Fans hoffen jeden Abend auf einen Platz in der ersten Reihe. Warum gibt es so einen Hype um «Hamilton»?

  • Das Broadway Musical über den ersten amerikanischen Finanzminister Alexander Hamilton ist bei Kritik und Publikum gleichermassen ein Erfolg.
  • Hinter «Hamilton» steht der 36-jährige Musicalschöpfer und Multitalent Lin-Manuel Miranda. Er schrieb das erste reine Hip-Hop-, Rap- und R&B-Musical.
  • Unterdessen sind Tickets nur noch für tausende Dollar erhältlich, weil Computer-Bots sie automatisiert aufkaufen.

Auf jedem 10-Dollar-Schein ist das Antlitz des ersten amerikanischen Finanzministers Alexander Hamilton abgedruckt. Doch bis das Broadway Musical «Hamilton» ihn wieder ins kollektive Bewusstsein rief, wussten die meisten Amerikaner nur, dass er einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten war. Seine Lebensgeschichte war nur Historikern bekannt.

Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund, warum aus seinem Leben ein Publikumsrenner wurde, der jedes bisherige Musical in den Schatten stellt. Dahinter steht ein 36-Jähriger: Für das Libretto, die Musik und seine Hauptrolle als Alexander Hamilton wurde Lin-Manuel Miranda für gleich drei Tony Awards nominiert.

Mischung der Welten

Miranda ist in der Theaterwelt kein Unbekannter. Sein Erstling «In the Heights» wurde 2008 zum besten Musical des Jahres erkoren. Miranda selbst bekam die Auszeichnung für die Musikpartitur – und wurde auch als beste Hauptdarsteller für einen Tony nominiert.

«In The Heights» spielte im New Yorker Viertel Washington Heights, wo Miranda aufwuchs, und verwob wichtige Musikeinflüsse seiner Kindheit: Broadway-Musik und latinamerikanischen Rhythmen wurden in seiner puerto-ricanischen Familie ständig gespielt. Dazu kam die Hip-Hop-Musik, die Miranda auf dem Ghettoblaster hörte, den er als Jugendliche überall mit sich trug.

Audio
Das Musical «Hamilton»: ein Kulturphänomen
aus Kultur kompakt vom 08.06.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 17 Sekunden.

Hip-Hop Hamilton

«Hamilton» ist das erste Musical, das sich ausschliesslich Hip-Hop-, Rap- und R&B-Musik bedient. Das sei nicht nur ein Trick, um ein jüngeres Theaterpublikum anzulocken: «Der Finanzminister Hamilton war wie die Hip-Hop-Stars von heute», erklärt Miranda: «Hamilton entkam der Armut seiner Heimat, in dem er darüber schrieb. Später wurde er durch seine Wortkünste berühmt. Genau das gleiche machten Rapper wie Lil Wayne und Jay-Z.»

Miranda zeigt die Gründungsväter wie sie waren: Junge Revolutionäre, die ihre Chance nutzen, um ein neues Leben in einem neuen Land zu entwerfen. An dem Hip-Hop-Lied «My Shot» habe Miranda als ein Jahr geschrieben, die Darstellung der Schuyler-Schwestern klingt nach der R&B-Gruppe «Destiny’s Child». Und eine Debatte im ersten US-Kabinett zwischen Thomas Jefferson und Alexander Hamilton wird als Rap-Battle gespielt. Der «Hamilton»-Soundtrack wurde mit einem Grammy ausgezeichnet – und gilt als Hit bei New Yorker Jugendlichen.

Die bunte Bühne Amerikas

Doch nicht nur durch die Musik macht Miranda den historischen Stoff wieder relevant. Anstelle der historischen weissen Europäer ist das Ensemble von «Hamilton» bunt gemischt: Thomas Jefferson, ein bekannter Sklavenhalter, wird von dem afroamerikanischen Schauspieler Daveed Diggs dargestellt. Hamiltons Frau Eliza Schuyler wird von der asiatisch-amerikanischen Phillipa Soo gespielt. Die beiden anderen Schuyler-Schwester – die als die Kardashians des 18. Jahrhunderts galten – werden von einer Afroamerikanerin und einer Lateinamerikanerin dargestellt. Nur King George ist weiss.

«Hamilton ist die Geschichte der Entstehung der multikulturellen Vereinigten Staaten und spielt in New York. So sieht New York, so sieht die USA heute aus», sagt Miranda.

Computer-Bots hamstern Tickets

Doch es könnte noch einen anderen Grund geben, warum «Hamilton»-Tickets so schwer zu bekommen sind. Miranda schrieb kürzlich einen Kommentar in der «New York Times» gegen programmierte Computer-Bots, die alle Theaterkarten innerhalb Sekunden aufkaufen – damit sie teuer weiterverkauft werden können.

Seitdem bekannt ist, dass Miranda selbst ab August nicht mehr auf der Bühne stehen wird, kosten Karten für das Musical bis zu 10.000 Dollar. Miranda, der als Kind nur wenige Broadway-Shows sehen konnte, schreibt: «Man sollte nicht mit einem Roboter kämpfen müssen, um etwas, was man liebt, zu sehen.»

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