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Drei gezeichnete Portäts von Roger Köppel.
Legende: Ein Freispruch im Theater, «das würde meine Befindlichkeit massgeblich beflügeln», findet ein lachender Roger Köppel. SRF/ Cecilia Bozzoli

Die Zürcher Prozesse Der grosse Abwesende

Bei den «Zürcher Prozessen» ist «Die Weltwoche» angeklagt. Chefredaktor, Herausgeber und Verleger Roger Köppel glänzt jedoch durch Abwesenheit und meint: «Der echte Köppel kann nicht vor einem falschen Gericht stehen.» Das Protokoll einer Begegnung.

Dienstag 16.00 Uhr. Interviewtermin bei Roger Köppel. «Eine Stunde – kein Problem». Um 17.00 Uhr, das nächste Interview. Roger Köppel ist begehrt im Vorfeld der «Zürcher Prozesse», und er geniesst es. Obwohl er nicht teilnehmen wird. Wer auf Köppel’sche Tiraden hofft, auf beissende Polemik, wird enttäuscht sein. Köppel verzichtet auf die Gerichtsshow im Theater. Warum, möchte ich wissen. Warum lässt jemand, der sonst jede Bühne nutzt, diese Gelegenheit aus? Wir beginnen das Gespräch, und Roger Köppel zeigt sich amüsiert. Er lacht. Er lacht bei fast jeder Frage, als könne er all das nicht ernst nehmen.

Herr Köppel, warum nehmen Sie an den «Zürcher Prozessen» nicht teil?

Roger Köppel: Der echte Roger Köppel kann nicht vor einem falschen Gericht stehen, das geht einfach nicht, das ist eine Fundamental-Asymmetrie. Ich würde mich natürlich vor jeden Richter stellen, wenn man mich vor ein reales Gericht zitiert. Aber nicht im Rahmen einer theatralisch-spielerischen Inszenierung, die das Ziel verfolgt, die Weltwoche in die Nähe krimineller Handlungen zu rücken.

In Milo Raus Prozess ist nur der äussere Rahmen inszeniert. Die Anklage ist ganz real. Und die Geschworenen, die Ankläger, die Verteidigung – das sind alles reale Personen.

Roger Köppel (lacht): Ja, das sind vielleicht reale Personen, die in einem fiktiven Prozess die Rolle von einem Richter oder von einem Anwalt übernehmen, aber das sind sie natürlich nicht wirklich. Ich bin der einzige reale Roger Köppel, alle andern spielen eine Rolle. Nochmal – das macht einfach keinen Sinn. Ich bin Journalist. Ich werde, wenn ich Zeit habe, als Zuschauer teilnehmen, denn ich setze mich gern mit Herrn Rau und allen Kritikern der «Weltwoche» auseinander.

Also, ich halte jetzt dagegen: Sie sind doch jemand, der das Rampenlicht sucht, Sie sind ein gern gesehener Gast in deutschen Talkshows, wo sie als Musterschweizer mit schrägen Ansichten auftreten. Sie tingeln mit Roger Schawinski durch die Lande und diskutieren öffentlich. Die «Zürcher Prozesse» bieten nun ein Forum, in dem es nicht darum geht, wer lauter bellt oder die bessere Pointe liefert, sondern es geht um eine ernsthaftere Form der Auseinandersetzung.

Roger Köppel: Wenn ich an einer Diskussion teilnehme, sei das im deutschen Fernsehen oder bei Herrn Schawinski, dann ist das eine Fortsetzung meiner journalistischen Arbeit. Da repräsentiere ich die Perspektive der «Weltwoche» - als Journalist, als Zeitgenosse. Im Theater müsste ich in die Rolle eines fiktiven Angeklagten schlüpfen, der ich allerdings selber bin. Das ist ein Element von Künstlichkeit. Nicht die Debatte um das Thema, sondern die Inszenierungsart drängt stark in den Vordergrund. Das ist keine neutrale oder sachliche Diskussionsanlage, sondern eine Inszenierung. Interessant aus meiner Sicht, aber es ist nicht etwas, woran ich als Journalist, dem es um Themen geht, teilnehmen muss.

Roger Köppel zeigt sich kampfeslustig

Abgeschmettert. Roger Köppel zeigt sich über jeden Zweifel erhaben. Es ist 16.15 Uhr, und eigentlich könnten wir das Gespräch beenden. Er rückt nicht von seiner Position ab, will sich einer unkontrollierbaren Form der Auseinandersetzung, wie sie die «Zürcher Prozesse» hoffentlich bieten, nicht stellen. Dennoch konfrontiere ich ihn mit den drei Artikeln des Schweizerischen Strafgesetzbuches, auf denen die Anklage basiert: «Schreckung der Bevölkerung», «Rassendiskriminierung» und «Störung der verfassungsmässigen Ordnung». Köppel kontert jeden Punkt geschickt, er ist eine gewiefte Argumentationsmaschine, die dem Kern jeder Frage ausweicht, stattdessen die Verdienste der «Weltwoche» in den Vordergrund stellt, die Recherchen zur Affäre Hildebrand zum Beispiel.

Herr Köppel, es geht doch bei den «Zürcher Prozessen» um ganz bestimmte Themen, um Artikel, in denen sie Minderheiten diskriminieren, um Gefühle, die Sie evozieren mit falschen Behauptungen. Dieser Prozess ist nicht eine Larifari-Talkshow, er muss eine Diskussion eröffnen über gesellschaftliche Verantwortung und gibt den Geschworenen, den Schweizer Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit, zu entscheiden, ob die Anklage gegen «Die Weltwoche» richtig ist oder falsch .

Roger Köppel: In Ihrer Frage sind sehr viele Behauptungen drin, zum Beispiel «Die Weltwoche» würde falsche Dinge behaupten, oder «Die Weltwoche» würde diskriminieren. Das weise ich  entschieden zurück. Wir machen auch Fehler. Jede Zeitung macht Fehler. Das ist ganz klar. Die werden korrigiert, sofort. Ich bin jemand, der persönlich haftet, als Verleger und Eigentümer von dieser Zeitung, dass das, was wir machen richtig ist. Das betrifft direkt meine Existenz. Ich habe die höchste Haftung von allen Journalisten in der Schweiz. Niemand haftet für den Inhalt so existenziell wie ich, ich kann mich nicht herausreden. Ich hafte persönlich. Und ich kann Ihnen sagen, meine Existenz ist mir wichtig. Und mein Beruf ist mir auch sehr wichtig. Ich liebe meinen Beruf, wenn ich es etwas pathetisch formulieren will. Ich finde Journalisten haben eine der wichtigsten Aufgaben in einer Demokratie. Ich staune manchmal, wie Journalisten die enorme Verpflichtungen, die ihr Beruf mit sich bringt, überhaupt nicht wahrnehmen und sich sozusagen von politischen Überlegungen leiten lassen. Dass man auch unangenehme Themen anpackt, das ist doch eine Verpflichtung, das ist mein Ziel im Journalismus, und da lass ich mir von Ihnen nicht sagen, dass wir falsche Behauptungen verbreiten.

Schade, dass Sie nicht an den «Zürcher Prozessen» teilnehmen. So kämpferisch müssten Sie dort ihre Position vertreten.

Roger Köppel: Nochmals, ich bin Journalist, ich bin Verleger, ich bin nicht der Mensch auf der Theaterbühne.

Wenn nun die Geschworenen, die ja einen Querschnitt der Schweizer Gesellschaft darstellen, wenn sie «Die Weltwoche» schuldig sprechen …  (Roger Köppel lacht)  Sie lachen jetzt. Aber was würde es Ihnen bedeuten?

Roger Köppel: Ja gut, ich erwarte da schon mindestens eine ganz schwer wiegende Verurteilung der «Weltwoche». Hendryk Broder, unser Kolumnist, hat sogar gesagt, wenn er teilnehmen würde, dann bekäme er sicherlich lebenslänglich oder müsste gar auf den elektrischen Stuhl. Nein, jetzt Spass beiseite. Keine Ahnung. Ich bin sehr gespannt. Ich finde das wirklich interessant. Mich interessiert, wie die Leute darüber diskutieren. Und wie sie das wahrnehmen und eben – vielleicht gibt es ein ganz drastisches Urteil. Das würde ich sicher mit Interesse zur Kenntnis nehmen.

Aber in den «Zürcher Prozessen»  wäre auch das Gegenteil möglich. Vielleicht wird die Weltwoche ja freigesprochen …

Roger Köppel: Ja absolut. Also das würde meine Befindlichkeit massgeblich beflügeln» (lacht).

Ende des Gesprächs. Welche Erkenntnis habe ich gewonnen? Keine wirklich neue. Dialoge bestehen nicht nur im Austausch altbekannter Argumente. Aber auch das ist bekannt. Vielleicht ermöglicht die Form der «Zürcher Prozesse»  eine andere, eine langsamere, nachdenklichere, skeptischere Form der Auseinandersetzung. Schade, dass Roger Köppel daran nicht teilnimmt.

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