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Bühne Ein Diplom für die Tänzer von morgen

Zürich beschreitet neue Wege in der Profi-Tanzausbildung: Heute beginnt das erste Semester an der Höheren Fachschule für zeitgenössischen und urbanen Bühnentanz. Der Studiengang ist europaweit ein Novum – offiziell anerkannt ist der Diplom-Abschluss allerdings noch nicht.

Wo früher Bananen reiften und von fleissigen Frauenhänden abgepackt wurden, wird seit kurzem intensiv getanzt. Die Genossenschaft Migros Zürich hat das Herdern-Hochhaus in Zürichs trendigem Westquartier in ein Tanzzentrum umgebaut. Entstanden ist das Tanzwerk 101 mit acht Studios und einem grossen Präsentationsraum.

Damit wird die Migros schweizweit zur grössten Anbieterin von Kursen für Laien. Zum Komplex gehören auch zwei Profiausbildungen: zum einen die 1973 gegründete und seit 2008 von der Migros geführte Zürich Tanz-Theater-Schule ZTTS mit einer Grundausbildung, zum anderen der brandneue Diplom-Studiengang für zeitgenössischen und urbanen Bühnentanz. Eine solche Vollzeit-Ausbildung existierte bisher nicht in Europa und kann von daher auch nicht auf bewährte Vorbilder zurückgreifen.

Zwischen Bürokratie und künstlerischen Herausforderungen

Jochen Heckmann, mit grauem Hemd und kurzen Haaren, von vorne fotografiert
Legende: Ein fähiger Pädagoge und Kenner der Zürcher Szene: Jochen Heckmann, künstlerischer Leiter des neuen Tanz-Studienganges. zvg

Künstlerischer Leiter der neuen Tanz-Ausbildung ist der Deutsche Jochen Heckmann – er gilt als fähiger Pädagoge und Kenner der Zürcher Tanzszene. Mitte der 90er-Jahre gründete er seine eigene Kompanie Looping und lehrte später an der Tanzakademie Zürich. Er arbeitete sowohl als freier Tänzer und Choreograph als auch in festen Institutionen.

Erfahrung hin oder her, Heckmann räumt ein: Die bürokratischen Hürden, die er auf dem Weg zur eidgenössischen Anerkennung meistern muss, die Zusammenstellung des Curriculums sowie die Auswahl eines geeigneten Lehrkörpers sind grosse Herausforderungen. Die Fusion zwischen zeitgenössischen und urbanen Tanzformen ist ein aufregender Pioniergang mit vielen offenen Stellen.

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (BSFI) hat für den Diplom-Studiengang zwar grünes Licht gegeben, doch offizielle Anerkennung eines eidgenössisch Höheren Fachdiploms wird erst mit dem erfolgreichen Abschluss gewährt. Solange steht die Schule unter Erfolgsdruck.

Das Alter als positiver Faktor

Diplom Bühnentanz

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Am 16. September startet die neu gegründeten Höhere Fachschule für zeitgenössischen und urbanen Bühnentanz in Zürich – ein Novum in Europa. Der Studiengang dauert drei Jahre und beinhaltet Praxis und Theorie – z. B. zeitgenössische, urbane oder klassisches Tanztechniken aber auch Tanzgeschichte oder Choreographie.

Das Mindestalter für eine Aufnahme ist 18. Die Studierenden müssen eine Matura, einen Berufsabschluss oder ein äquivalentes Diplom mitbringen – so verlangen es die schweizerischen Bestimmungen für einen Abschluss im tertiären Bereich. Ist das nicht etwas spät für eine tänzerische Karriere?

Heckmann sagt, im zeitgenössischen und urbanen Tanz werde, anders als im Ballett, länger getanzt und die persönliche Ausdruckskraft nehme einen höheren Stellenwert ein. Ausserdem können sich Absolventinnen und Absolventen neben einer Bühnenkarriere auch für Tanzpädagogik oder Choreographie entscheiden.

12‘500 Franken Studiengebühren pro Jahr

Die Klasse für das erste Semester ist komplett und zählt 17 Studierende zwischen 18 und 25 Jahren, die sich alle einem anspruchsvollen Auswahlverfahren stellten. Ein Drittel davon sind Männer, was laut Heckmann nicht selbstverständlich ist. Die Mehrheit der Studierenden kommt aus der Schweiz, das hat sicher mit den hohen Studiengebühren (12‘500 Franken pro Jahr) und mehr noch mit den hohen Lebenskosten in Zürich zu tun. Auch wenn die Migros Subventionen leistet und bei der Suche nach Stipendien hilft, können sich das nicht alle leisten.

Etwas drittes Neues soll entstehen

Hip-Hop, House, Breakdance und all die anderen Formen des urbanen Tanzes haben sich längst von den gesellschaftlichen Rändern auf die Bühnen der grossen Theater getanzt. Künstlerische Kollaborationen zwischen akademischen und urbanen Tanzformen sind gang und gäbe. Es wächst eine neue Generation von Tanzschaffenden heran, die neben einer neoklassischen oder zeitgenössischen Ausbildung ebenso mit Streetdance-Elementen vertraut ist und diese mehr und mehr in ihre Choreographien einbaut.

Aber eben: einen Lehrgang, der beide Formen fundiert vermittelt, gab es bislang nicht auf diesem Niveau. Jochen Heckmann geht es im neuen Studiengang um eine künstlerische Verschränkung und um gegenseitige Befruchtung – so könnten beide Seiten ungeheuer voneinander profitieren und die je eigene Ausdruckspalette erweitern. Er sieht das bei jungen Choreographen wie Hofesh Shechter oder Felix Landerer Künstler, die längst bewusst oder unbewusst Einflüsse von der Strasse in ihre Stücke einfliessen lassen.

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