Zum Inhalt springen

Header

Audio
Freilichttheater im Corona-Sommer
Aus Kultur-Aktualität vom 15.07.2020.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 36 Sekunden.
Inhalt

Experiment statt Tradition Wenn Corona im Freilichttheater Regie führt

Kein Einsiedler Welttheater. Keine Tellspiele in Interlaken. Und doch gibt es Theater unter freiem Himmel. Nur anders.

Freillichttheater gehören zur Schweiz wie Käse, Schokolade und Uhren. Landauf, landab investieren Amateurschauspieler von Jung bis Alt Monate für Proben und die Organisation der Freilichtinszenierungen. Für viele ist es mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung.

Dieses Jahr aber ist wegen Corona alles anders. Ein Grossteil der Proben konnte nicht stattfinden. Deshalb werden die geplanten Stücke diesen Sommer nicht aufgeführt. Rund 40 Darstellerinnen und Darsteller gemeinsam auf der Bühne – das ist aktuell undenkbar.

Ein Liebhaber am Boden

Die Enttäuschung war gross, auch bei Ueli Blum, dem Regisseur beim Landschaftstheater Ballenberg. Aber weil die Schauspieler sich die Zeit schon reserviert hatten, sei rasch die Frage aufgekommen: «Können wir nicht etwas machen, das Corona-konform ist?»

Freilufttheater: Ein Mann spricht mit einer Frau, beobachtet von Zuschauern auf einer Bank.
Legende: In weiter Ferne so nah: Szene aus dem Corona-Sommertheater auf dem Ballenberg. Landschaftstheater Ballenberg

Gesagt, getan. In nur einem Monat hat man im Freilichtmuseum Ballenberg einen theatralen Rundgang von Bauernhaus zu Bauernhaus entwickelt und mit einem kleinen Ensemble geprobt.

Die Geschichten hat Regisseur Ueli Blum den Fähigkeiten der Amateurspieler und der Corona-Situation angepasst. «Der Liebhaber ist dann halt vor seiner Angebeteten gestolpert und liegt vor ihr am Boden, anstatt sie zu umarmen», lacht Blum.

Ballenberg: Aufführungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Der Verein Landschaftstheater Ballenberg und das Freilichtmuseum Ballenberg bündeln ihre Kräfte für ein einzigartiges Projekt: Unter dem Titel «Himmel, Arsch und Zwirn!» werden diesen Sommer an vier Wochenenden wahre und erfundene bewegende Anekdoten und Geschichten zum Leben erweckt.

Sex mit Sicherheitsabstand

Solche Herausforderungen kennt auch Simon Burkhalter. Auf der Moosegg hat der Regisseur Woody Allens «Mitternachtssex-Komödie» inszeniert.

Theater: Ein Mann mit Mikrophon, hinter ihm lehnt eine Frau im Fenster.
Legende: Der Sicherheitsabstand geht über alles, manchmal auf Kosten eines Kusses. Freilichtspiele Moosegg

Burkhalter sagt: «Mir war damals noch gar nicht bewusst, dass man auch auf der Bühne den Sicherheitsabstand wahren muss.» Der Regisseur fragte sich: «Wie zeigt man ein Stück über Trieb und Sexualität aus zehn Metern Distanz?»

Die Lösung war ein Setzkasten als Bühnenbild, in dem jeder Schauspieler und jede Schauspielerin allein in einem Abteil spielt. Vorgaben und Verbote, so Burkhalter, hätten die Kreativität angeregt und zum Experiment ermutigt. «Unter dem Deckmantel Corona kann man die Tradition auch ein wenig brechen.»

Sechs Schauspieler auf einer Bühne, die einem Puppenhaus ähnelt.
Legende: Sechs in einem Setzkasten. Oder: So sieht ein Corona-konformes Bühnenbild aus. Freilchtspiele Moosegg

Löcher in der Kasse

Woody Allen also. 120 Gartenstühle statt einer Tribüne mit 300 Plätzen. Denn coronasicher soll das Stück auch für das Publikum sein.

Das hat allerdings finanzielle Folgen: Fehlende Eintrittsgelder führen zu Defiziten in den Kassen der Freilichttheater. Zudem: Die meisten Freilichttheater sind von Firmen gesponsert.

Freilichtspiele Moosegg: Aufführungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Ein sechsköpfiges Ensemble aus engagierten und ausdrucksstarken Schauspielerinnen und Schauspielern lässt die Jahrhundertwende gepaart mit Woody Allens neurotischem Humor aus der Mittsommernachts-Sexkomödie wieder auferstehen.

Diese aber müssen aktuell selber schauen, dass sie über die Runden kommen. Wegen solcher Unsicherheiten haben die Freilichtspiele Luzern ihre Produktion bereits um zwei Jahre verschoben.

Unter den Absagen und Verschiebungen leiden nicht nur die Freilichttheater, weiss Ueli Blum. Auch die Restaurants machen weniger Umsatz. In den Hotels bleiben viele Betten leer.

700 Besucher aus der ganzen Schweiz, die pro Abend den Ballenberg bevölkern – normalerweise. Im Corona-Sommer gilt es umzudenken und nach Alternativen zu suchen – nicht nur im Theater.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 15.7.2020, 17:20 Uhr;

Meistgelesene Artikel