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Die Gewinnerinnen und Gewinner der Preise für darstellende Künste
Aus Kultur-Aktualität vom 31.08.2023. Bild: Charlotte Krieger
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Grand Prix Darstellende Künste Bildstark, präzise, rebellisch: Auszeichnung für Cindy Van Acker

Der Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring ist die wichtigste Schweizer Auszeichnung im Bereich der Bühnenkünste. Dieses Jahr erhält ihn die Choreografin Cindy Van Acker. Zu Recht.

Cindy Van Acker gehört zu den herausragendsten Choreografinnen der Schweiz. Seit Jahren kreiert sie in der freien zeitgenössischen Tanzszene Arbeiten, die hierzulande wie auch international grosse Beachtung finden.

Bezeichnend für die Künstlerin ist, dass sie durch all die Jahre einen eigenen Stil geschaffen und gleichzeitig nie aufgehört hat, das eigene choreografische Vokabular zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.

Eine Person in dunkler Kleidung tanzt vor dunklem Hintergrund, der mit drei Bildschirmen erleuchtet wird.
Legende: Cindy Van Acker 2016 in ihrer Performance «Knusa / Insert Coins». Cie Greffe / Cindy Van Acker /Simon Letellier

Van Ackers Werke tragen eine klare persönliche Handschrift: Streng formal und noch in der kleinsten Bewegung präzise baut sie ihre Choreografien auf. Körper, Raum und Musik wirken als gleichwertige Elemente zusammen und durchdringen sich gegenseitig. Was auf den ersten Blick kühl daher kommt, entwickelt allmählich einen faszinierenden Bühnensog.

In Van Ackers Arbeiten zeigt sich oft auch eine «rebellische Seite»: Viele ihrer Choreografien sind gesellschaftskritisch grundiert, zielen gegen Kommerz, Konventionen und Bequemlichkeit.

Klassische Ausbildung trifft zeitgenössischen Tanz

Ursprünglich kommt Cindy Van Acker vom klassischen Ballett. Geboren wurde sie 1971 im flämischsprachigen Teil Belgiens. Nach einer klassischen Ballettausbildung in Antwerpen tanzte sie beim renommierten Ballet Royal de Flandres.

1991 kam sie als Tänzerin zum Ballet du Grand Théâtre nach Genf. Irgendwann, wie sie einst in einem Interview sagte, hatte sie die klassische Bewegungssprache ausgereizt. Sie begann sich mit dem zeitgenössischen Tanz auseinanderzusetzen und suchte, zuerst solistisch, nach neuen, ihr gemässen Ausdrucksformen. 2002 gründete sie in Genf ihre eigene Compagnie, die Cie Greffe.

Ins internationale Spotlight

Auf ihrem künstlerischen Weg ist sie immer wieder Künstlerinnen und Künstlern anderer Sparten begegnet. Ein wichtiger künstlerischer Weggefährte war der finnische Elektromusiker Mika Vainio.

Eine weibliche Person sitzt, nur mit Unterhose bekleidetet, gekrümmt am Boden. Ihre Beine sind angewinkelt.
Legende: Der Körper beschränkt sich nicht auf seine äussere Form, so die Botschaft von Cindy Van Ackers Performance «Corps 00:00». Cie Greffe / Isabelle Meister

Musik ist für Van Ackers Choreografien die wichtigste Inspirationsquelle überhaupt. Bis heute verbindet sie auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Regisseur Romeo Castellucci. Sie hat für viele seiner Inszenierungen die Choreografien kreiert. 2005 holte sie der Italiener mit ihrem Solo «Corps 00:00» an die Biennale von Venedig. Dieser Auftritt katapultierte die Choreografin schlagartig ins internationale Scheinwerferlicht.

Von Erfolg zu Erfolg

Noch im selben Jahr präsentierte Van Acker ihr erstes Gruppenstück «Pneuma». Viele Arbeiten, auch für ein grosses Ensemble, folgten. Schon zwei Mal wurde die Künstlerin im Rahmen der Schweizer Tanzpreise ausgezeichnet: 2013 für «Diffraction» und 2019 für «Speechless Voices».

Ein Dutzend Männer und Frauen steht unbeholfen um einige Sessel herum. Alles schauen in unterschiedliche Richtungen.
Legende: Sitzen, stehen oder gehen? Szenen aus Cindy Van Ackers Werk «Without References». Cie Greffe / MAGALI DOUGADOS

Ihre neueste Kreation hat sie mit ihrer Compagnie Cie Greffe und einem Bühnenbild von Romeo Catellucci umgesetzt. «Without References» spielt in einer Art Wartehalle. Menschen stehen und warten, während mitten im Raum ein altes Fernsehgerät läuft.

Die weiteren Schweizer Preise Darstellende Künste 2023

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Neun weitere Schweizer Preise Darstellende Künste gehen an Personen oder Institutionen, die sich in einem Bereich des vielfältigen Schaffens der darstellenden Künste in der Schweiz verdient gemacht haben. Die Preissumme beträgt je 40'000 Franken.

  • Rébecca Balestra (GE/*1988): Die Schauspielerin, Autorin und Regisseurin schloss 2013 ihren Bachelor im Theaterbereich an der Manufacture in Lausanne ab. Die vielseitige Schauspielerin hat kürzlich auch ihr komödiantisches Talent als Stand-Up-Comedienne unter Beweis gestellt.
  • Bruno Cathomas (GR/*1965): Nach seinem Schauspielstudium an der Schauspielakademie Zürich (heute ZHdK) wirkte er ab 1992 an vielen renommierten deutschsprachigen Bühnen. 2024 wechselt er zusammen mit Intendant Stefan Bachmann ans Wiener Burgtheater.
  • Ntando Cele (BE/*1980): In Durban (ZA) geboren, lebt die dort und in Amsterdam ausgebildete Schauspielerin heute in Bern. Ihre Arbeiten überschreiten Grenzen und setzen sich mit alltäglichem verstecktem Rassismus auseinander.
  • Tiziana Conte (TI/*1966): Die Kulturjournalistin und Veranstalterin setzt sich seit vielen Jahren auf verschiedenen Ebenen und mit grosser Leidenschaft für die Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes im Kanton Tessin ein, zuletzt mit dem Netzwerkprojekt «Isadora – Piattaforma Danza».
  • Barbara Giongo & Nataly Sugnaux Hernandez (GE/*1966 und *1973): Nach Laufbahnen an der Seite von Oscar Gómez Mata bzw. Yan Duyvendak leiten die beiden Produktionsleiterinnen seit 2018 gemeinsam Le Grütli in Genf als Zentrum für die Produktion und Verbreitung der darstellenden Künste.
  • Sandro Lunin (ZH/*1958): Der Theater- und Festivalleiter setzt sich seit 40 Jahren für die freie Tanz- und Theaterszene und den Austausch mit dem globalen Süden ein. Seine Stationen waren die Rote Fabrik, das Schlachthaus Theater Bern, das Zürcher Theater Spektakel und zuletzt die Kaserne Basel.
  • Circus Monti (AG/gegründet 1985): Das Familienunternehmen zeigt jedes Jahr ein Programm unter wechselnder Regie. Viele der engagierten Kreativen haben an der Accademia Dimitri studiert. Im Lauf der Jahre hat der Circus Monti einen eigenen Stil entwickelt, eine poetische Mischung aus Zirkus und Theater. 
  • Jeremy Nedd (BS/*1985): Der aus New York (USA) stammende Choreograf und Performer lebt in Basel, wo er bis 2016 beim Ballett Basel tanzte. Seine Projekte mit der urbanen Tanzform Pantsula aus Südafrika sind wegweisend für eine von Diversität geprägte globale Zusammenarbeit.
  • Tellspiele Altdorf (UR): Seit 1899 interpretieren die Darstellerinnen und Darsteller der Tellspiel- und Theatergesellschaft Altdorf Schillers «Wilhelm Tell» mutig und zeitgemäss neu. Sie gehören damit zu den ältesten und vorbildlichsten Laientheatern der Schweiz.

Auch dieses Werk ist von Van Acker streng formal durchkomponiert, jede Geste und Bewegung ist klar herausgemeisselt. Die Atmosphäre ist flirrend und transportiert etwas geheimnisvoll Untergründiges. Das ist nicht leicht lesbar; doch wer sich darauf einlässt, dem öffnen sich neue Erlebnisräume.

Für diese Fähigkeit, bildstarke Welten zu kreieren und damit zu berühren – und das über viele Jahre schon – erhält Van Acker zu Recht den Hans-Reinhart-Ring.

Veranstaltungshinweis

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Die Preisverleihung «Schweizer Preise Darstellende Künste 2023» findet am Freitag, 6. Oktober 2023, im Rahmen des FIT – Festival internazionale del teatro – im LAC Lugano statt.

Radio SRF 4 News, Nachrichten, 31.8.2023, 11:03 Uhr.

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