Auf der Favoritenliste stand Barbara Frey schon lange. Und als sie 2016 einen der Schweizer Theaterpreise erhielt, fragte man sich: Warum nicht gleich den Grand Prix? Nun ist es endlich so weit.
Sie fühle sich geehrt, sagt Barbara Frey, und denke an «all die Menschen, denen ich diesen Preis verdanke, die mit mir am Theater gearbeitet haben, zuallererst die Schauspielerinnen und Schauspieler.»
Gegenwärtig leitet Frey die Ruhrtriennale. Wie in ihrer Zeit am Schauspielhaus Zürich (2009 bis 2019) führt sie als Intendantin auch Regie.
Gesellschaft der Vereinzelten
In Bochum hat sie soeben «Das weite Land» von Arthur Schnitzler inszeniert: das beklemmende Porträt einer Gesellschaft der Vereinzelten, in die sich monströs die Triebe hineinfräsen.
Es ist ein typischer Frey-Abend. Er vereinigt vieles in sich, was ihre Handschrift ausmacht. Sie lässt ein Beziehungsnetz sich entspinnen. Sie webt es musikalisch fort.
Es geht hin und her zwischen den Figuren, bleibt im luftleeren Raum des Unausgesprochenen hängen, findet sich wieder zu schwebenden Koalitionen, wird viskos, verdämmert gar. In Freys neueren Arbeiten siedelt vorzugsweise ein melancholisches Chiaroscuro.
Harmonien einer vorbewussten Welt
Das gilt auch für ihren Abschied von Zürich, den Joyce-Abend «Die Toten». Ein dunkel schimmerndes Highlight und die Sprachmusik von James Joyce, Gesang des Ensembles, gedämpfte Harmonien vom Hackbrett, die hereinwehten wie aus einer vorbewussten Welt.
Zu Barbara Freys Handschrift als erste und bisher einzige Intendantin am Zürcher Schauspielhaus gehörte aber auch, dass sie zahlreiche starke Regiehandschriften neben der ihren präsentierte.
Die der Altmeister Werner Düggelin und Frank Castorf. Solche, die Zürich noch nicht kannte: Karin Henkel, Christopher Rüping – den ihre Nachfolger jetzt als Hausregisseur engagiert haben. Aber auch aufkommende.
Basel und Bärfuss als Konstanten
Barbara Frey wurde 1963 geboren. Sie wuchs in Basel auf, studierte in Zürich Germanistik und Philosophie, dann wirkte sie als Schlagzeugerin. Erste Theatererfahrungen sammelte sie in der freien Szene.
Ab 1988 arbeitete sie am Theater Basel. Dann rief Berlin: An der Schaubühne und am Deutschen Theater wurde Frey Hausregisseurin. Immer wieder kehrte sie nach Basel zurück, etwa mit der Uraufführung «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern» von Lukas Bärfuss.
Es folgten Bärfuss-Uraufführungen während ihrer Schauspielhaus-Ära. Lukas Bärfuss war ihr als Autor und Dramaturg in Zürich verbunden, er blieb es für die Ruhrtriennale.
Er spricht von der ungewöhnlich inspirierenden Atmosphäre, der gegenseitigen Be-Geisterung, wenn er mit Frey ein Projekt plane.
Ohne Vertrauen keine Kunst
Mit manchen Künstlerinnen und Künstlern pflegt sie langjährige wegbegleitende Beziehungen. «Das ist für mich elementar», erklärt sie. «Vertrauen ist unser wichtigstes Gut. Wir haben die Liebe und wir haben das Vertrauen, ohne das gibt es keine Kunst.»
Verbindlichkeit. Das ist vielleicht das Schlüsselwort. Die Präzision der Einlässlichkeit, des Aushorchens. Das kann sperrig anmuten, und es ist nicht das direkte Werben um die Publikumsgunst.
Aber es hallt nach. Aus den Zwischenreichen von Welt und Traum herüber, aus den Zwischenböden unter den Oberflächen herauf.
Schweizer Preise Darstellende Künste 2022 | |
---|---|
Preise Darstellende Künste | Frida León Beraud |
Marco Berrettini | |
Sophie Gardaz | |
Geschwister Pfister | |
Paola Gianoli | |
Yann Marussich | |
Mike Müller | |
Susanne Schneider/BewegGrund | |
Ticino is Burning | |
Schweizer Theaterproduktion 2021 | «Manuel d’exil», Maya Bösch |
Schweizer Tanzproduktion 2021 | «La Peau de l’Espace», Yasmine Hugonnet |
June Johnson Newcomer Prize 2021 | Kollektiv InQdrt |