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Improvisationstheater Balancieren zwischen Humor und dem Jetzt

Spontan, lustig, lebensnah: Das Improvisationstheater ist der rebellische Bruder des klassischen Theaters. Was «Impro» ausmacht und was es dazu braucht.

Improvisationstheater hält, was der Name verspricht: Es gibt keine vorgegebenen Texte oder vordefinierte Handlung. Das Publikum ist hier nicht nur Zuschauer, sondern liefert Inputs, durch die spontane Geschichten auf der Bühne entstehen.

Was für Normalsterbliche furcht- oder zumindest respekteinflössend klingt, ist für die beiden «Impro»-Schauspielerinnen Billa Christe und Pia Hierzegger Alltag.

Zwangslos und befreiend

«Von der ersten Minute an war ich happy und wie verliebt in diese Theaterform», erzählt Billa Christe. Sie ist seit 20 Jahren Teil der Berliner Improvisationstruppe «Die Gorillas» und gibt auch Unterricht im professionellen Improvisieren. «‹Impro› ist so befreiend», sagt sie über ihre Leidenschaft. «Man kann einfach machen.»

Ihre Inspiration komme direkt aus dem echten Leben. «Wenn ich etwa eine Trennungsszene spiele, sitzen im Saal viele Menschen, die sagen: ‹Kenn ich, was die Frau da oben erzählt›.»

Hauptsache Humor

Improvisationstheater ist typisches Volkstheater. Es behandelt alltägliche Themen und zieht sein Publikum direkt mit ein, indem dieses durch Zurufe zum Beispiel Handlungsorte oder -motive vorgibt.

Ein zentraler Bestandteil ist dabei Humor in jeder Form: satirische Bemerkungen, klassische Verwechslungsszenarien oder auch der eine oder andere Flachwitz. Ohne Humor, kein «Impro».

Das Jetzt auf der Bühne

Für Pia Hierzegger, Schauspielerin beim Theater im Bahnhof in Graz, ist «Impro» aber mehr als nur eine witzige Abendunterhaltung. «Beim Improvisieren kann man sich auch gesellschaftspolitisch äussern», sagt sie.

Das Improvisationsspiel erlaube es, Ernstes humorvoll zu verpacken und Dinge zu sagen, die normalerweise belehrend wirken würden – beispielsweise, wenn eine Figur scherzhaft auf der Bühne den sexistischen Bemerkungen von Trump erliegt.

Für Hierzegger ist diese Balance ein Kernstück des Improvisationstheaters: «Ich ärgere mich, wenn in einer Aufführung keine Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt passiert», meint sie.

Theater als Therapie

Auch privat gibt das Improvisationstheater den beiden Schauspielerinnen, die an der Show «Girl’s Night» im Millers Studio in Zürich zusammen auf der Bühne stehen, viel. «‹Impro› gibt mir einen Raum, wo ich nicht planen kann», meint Hierzegger. Das sei für sie, die als Autorin und Schauspielerin im täglichen Leben auf eine strikte Planung angewiesen sei, sehr gesund.

Christe beschreibt einen ähnlichen Effekt: «Ich bin auf der Bühne oft Billa. Ich schöpfe viel aus mir selbst. Das ist wie eine Therapie.»

Mutige vor!

Was braucht es, um auf der Bühne zu stehen? Für Hierzegger sind Spontanität und Kreativität zentral: «Man darf nicht vorausdenken, sondern muss nehmen, was einem das Gegenüber gibt.»

Für Christe hingegen ist klar: «‹Impro› braucht Mut und Humor. Man muss über sich selbst lachen können und darf keine Angst auf der Bühne haben», sagt sie.

Sie selbst habe zu Beginn Respekt davor gehabt, auf der Bühne zu stehen – diese Angst sei inzwischen weg. «Ich habe vor anderen Dingen Angst, etwa wenn ich moderiere oder ein Seminar gebe», sagt Christe. «Da habe ich oftmals das Gefühl, liefern und gut sein zu müssen. Auf der Improbühne habe ich das nicht.» Dort sei man ja auch nicht alleine.

Sendung: SRF 1, Sternstunde Kunst, 26.1.2020, 12:00 Uhr

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