Zum Inhalt springen

Josef Hader im Gespräch «Man muss grausig sein, damit den Leuten das Grausen kommt»

Der Österreicher Josef Hader ist einer der grössten Kabarettisten unserer Zeit. Er entlarvt, belehrt aber nie: Satire ist für ihn nicht dazu da, das Verhalten der Menschen zu ändern – vielmehr sieht er darin eine Methode, selbst über gewisse Dinge Klarheit zu erlangen.

Josef Hader

Kabarettist

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Josef Hader (geb. 1962) ist ein österreichischer Kabarettist, Schauspieler, Autor und Filmregisseur. Seit seinem Durchbruch in den 1980er-Jahren ist Hader einer der bekanntesten und populärsten Kabarettisten in Österreich. 2017 gab er mit «Wilde Maus» sein Debüt als Filmregisseur. 2023 erhielt er den Schweizer Kabarettpreis Cornichon .

SRF: Warum tragen Ihre Bühnenfiguren, die manchmal richtige Ekel sind, den exakt gleichen Namen wie den in Ihrem Pass?

Josef Hader: Weil dann so eine schöne Ambivalenz entsteht. In der deutschen Tradition ist es eher so, dass der Kabarettist sagt, was er denkt – zum Beispiel, warum die Regierung schlecht ist. In der österreichischen Tradition steht der Kabarettist eher als Trottel auf der Bühne und findet die Regierung super.

Warum ist Ihnen diese Herangehensweise lieber?

Die Leute müssen dann selbst suchen, was die Aussage ist, und können sich nicht auf den da vorne verlassen. Das schafft automatisch Aufmerksamkeit, und man muss auch nicht so viele Witze machen.

Ein älterer Mann mit Brille gestikuliert mit der Hand.
Legende: «Ich möchte nicht, dass alle an derselben Stelle lachen»: Josef Hader verfolgt als Kabarettist einen klaren Plan. Keystone / Roland Schlager

Das Ziel ist, sich zum Idioten zu machen, damit die anderen merken: «Ich bin vielleicht auch ein Idiot?»

«Zum Idioten machen» ist vielleicht falsch. Aber man muss ein Stück weit auch grausig sein, damit den Leuten das Grausen kommt. Man muss so dumm sein, dass sie die Dummheit unerträglich finden.

Also eine Art Reinigung von Blindheiten durch Satire?

Ich will mich nicht zu stark damit auseinandersetzen, was beim Publikum ankommt. Für mich ist Kabarett primär eine Methode, mir selber klarzuwerden über Dinge. Und dann aber, wenn ich klug oder zumindest etwas klüger geworden bin, diese Klugheit nicht 1:1 auszubreiten, sondern es so lange weiterzudenken, bis es zu etwas ganz Einfachem wird.

Aber eine Frage, die man sich doch stellen muss, ist: «Wie wird gelacht und über wen?» Lachen kann befreiend, aber auch ein Auslachen sein.

Ja. Wenn man ernst genommen werden will, kann man es nur so machen, dass der Witz nicht Schwache trifft. Dass ein Witz nicht die Gedankenlosigkeit fördert. Der Witz soll nachdenklich machen.

Ihre Kollegin Lisa Eckhart sagte, dass es unzählige Möglichkeiten des Lachens gibt und sie nicht die eine verbieten und die andere befördern will.

Ich habe eher von Anfang an den klaren Plan gehabt: Ich möchte nicht, dass alle an derselben Stelle lachen. Das ist für mich selber auch langweilig.

Lachen ist nicht nur ein Zeichen von Sorglosigkeit.

Ich versuche, Kabarett zu machen, wo die einen lachen – und der oder die daneben denkt: «Das ist ja völlig unpassend.» Wo man nicht genau weiss: Passt das jetzt?

Empfinden Sie Lachen an bestimmten Stellen als entlarvend?

Lachen ist nicht nur ein Zeichen von Sorglosigkeit. Man kann etwas auch besonders laut von sich weglachen. Dass man lacht, zeigt nicht unbedingt, dass man souverän ist, sondern genauso, dass man gerade ganz hilflos ist.

Überlegen Sie sich manchmal, ob Menschen durch Ihre Satire ihr Verhalten ändern?

Das wäre ein völlig faschistoider Ansatz, wenn ich mir sagen würde: «Nach zwei Stunden müssen sich die Menschen verändert haben.» Künstlerinnen und Künstler werden dafür bezahlt, Dinge zu denken, die in der Realität teils nicht möglich sind.

Die Kunst macht schon ihre Arbeit. Aber es dauert halt immer seine Zeit.

Vor 140 Jahren waren Gedanken wie der, dass Krieg eher eine schlechte Idee ist oder dass Frauen wählen dürfen, Avantgarde. Sowas haben nur schräge Vögel gedacht. Und jetzt halten wir es für richtig und gut. Ich denke, die Kunst macht schon ihre Arbeit. Aber es dauert halt immer seine Zeit.

Das Gespräch führte Wolfram Eilenberger.

(Dieses Interview ist ein Auszug aus der «Sternstunde Philosophie » . Die Fragen und Antworten wurden gekürzt.)

Die Kultur-Highlights der Woche im Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Entdecken Sie Inspirationen, Geschichten und Trouvaillen aus der Welt der Kultur: jeden Sonntag, direkt in Ihr Postfach. Newsletter jetzt abonnieren .

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 11.02.2024, 11:00 Uhr. ; 

Meistgelesene Artikel