Das Klischee hält sich hartnäckig unter den Teenies: Oper ist für alte Leute. Frauen singen schrill und man versteht den Text nicht. Um Jugendliche an die Oper heranzuführen, braucht es also Vermittlung. Die Jugendoper «humanoid» von Pamela Dürr und Leonard Evers will diese leisten.
Wenn sich die Jugendlichen für die Themen und die Musik interessieren, kann das gelingen. Deshalb lassen die Schriftstellerin Pamela Dürr und der Komponist Leonard Evers die Jugendlichen bei Musik und Thema des Stückes mitbestimmen.
Manchmal auch Gameboy-Musik
Manipulieren wir die digitale Welt oder sie uns? Was machen Technik, soziale Medien und Algorithmen aus uns? Das seien Fragen, die Jugendliche bewegen. Pamela Dürr lässt sie deshalb in die Geschichte von «humanoid» einfliessen.
«Eine Herausforderung bei einer Oper für Jugendliche ist aber, dass die wenigsten von ihnen überhaupt schon mal in einer Oper gewesen sind», sagt die Schweizer Autorin. Zudem könne ein gesungener Text Befremdung auslösen.
Dessen ist sich auch der Komponist Leonard Evers bewusst. Für ihn ist der Austausch mit Jugendlichen deshalb die Basis seiner Kompositionen: «Ich gehe mit den Stücken in die Schule und frage die Jugendlichen, was sie von meiner Musik halten.»
Die Kritik und Wünsche der Jugendlichen fliessen dann in seine Musik ein. So klingt auch «humanoid» manchmal nach Gameboy-Spiel, dann aber plötzlich wieder nach grosser romantischer Oper, Musical, Film und sogar Jazzmusik.
Opernkenner und Neulinge
Leonard Evers räumt gerade einen Preis nach dem anderen ab. Seine Oper «Gold», ebenfalls für das junge Publikum geschrieben, gehört zu den meistgespielten Jugendopern überhaupt. Wie aber kommt «humanoid» bei den Jugendlichen selbst an?
Die meisten Jugendlichen besuchen die Sci-Fi-Oper mit Eltern oder der Schulklasse. Manche von ihnen sind Opernkenner, andere betreten mit «humanoid» Neuland.
Und während die einen die moderne Inszenierung und das Thema Digitalisierung gut finden, interessieren sich andere weniger für Roboter und beschreiben den Gesang des Countertenors einfach nur als schrill und abschreckend.
Horizont der Opernhäuser erweitern
«humanoid» wird unter den Jugendlichen wahrscheinlich keinen Run auf die klassische Oper auslösen. Der Holländer Leonard Evers ist aber überzeugt, dass eine solche erste Erfahrung mit Sicherheit hilft, Barrieren abzubauen oder eine Neugierde zu wecken. «Dass der Horizont erweitert wird, schadet weder Jugendlichen noch Erwachsenen», ergänzt Pamela Dürr.
Obwohl sich der Vergleich natürlich anbietet, verstehen die beiden Autoren «humanoid» nicht als Vorstufe zur herkömmlichen Oper. Pamela Dürr und Leonard Evers wollen zur Diskussion innerhalb der klassischen Opernwelt anregen.
Immer mehr Theater haben zwar den Mut, Jugendopern in Auftrag zu geben oder auch partizipative Vermittlungsprojekte zu starten, «aber es gibt noch Luft nach oben!», findet Leonard Evers. Für sie ist der Dialog mit den Jugendlichen inspirierend und sie wünschen sich mehr davon.