Anta Helena Recke war drei Jahre lang Regieassistentin an den Münchner Kammerspielen. Immer wieder hat sie sich gefragt, wie es sein kann, dass das Ensemble eines so grossen, traditionellen Schauspielhauses ausschliesslich weiss ist. «Das ist eine sehr laute Abwesenheit», sagt sie, «die aber niemandem aufzufallen scheint».
Für ihre Abschlussarbeit hat sich die 29-Jährige Gedanken gemacht, wie sie dieses Fehlen von schwarzen Schauspielern sichtbar machen kann.
Die Idee ist so verblüffend wie einfach: Anta Helena Recke hat eine bestehende Inszenierung genommen, sie bis ins Detail kopiert, aber ausschliesslich mit schwarzen Schauspielern und Schauspielerinnen besetzt.
Bayrische Realität in Schwarz
«Mittelreich» nach dem Roman von Joseph Bierbichler (Regie: Anna-Sophie Mahler) war 2015 eine der erfolgreichsten Inszenierungen der Münchner Kammerspiele. Sie erzählt eine bayrische Familiengeschichte über drei Generationen hinweg und verschneidet diese mit Brahms «Deutschem Requiem».
Dass Reckes Wahl auf diese Inszenierung fiel, habe mit inhaltlichen Kriterien und mit der Qualität der Inszenierung zu tun. «Das traditionelle Münchner Publikum kann sich mit dieser bayrischen Realität sehr gut identifizieren, das war interessant für uns», erklärt Anta Helena Recke.
Negative Kritiken
Die ersten Kritiken waren allerdings vernichtend – und in ihrer Argumentation latent rassistisch. Sie sprachen der Produktion die Professionalität ab, den Schauspielern die Qualität und sie sahen «Flüchtlinge» auf der Bühne, wo zum grossen Teil afrodeutsche Schauspieler waren.
Anta Helena Recke gibt sich gelassen: «Damit hatte ich gerechnet. Ich lebe in diesem Land, ich kenne die Strukturen und weiss, wie die Gesellschaft tickt».
Der Erfolg gibt Recke Recht
Nach der abwehrenden Häme der ersten Kritiken schlug das Pendel dann aber schnell um in Richtung Erfolg.
Längst ist die «Schwarzkopie», wie Recke ihr Stück nennt, eine der Inszenierungen der Spielzeit, die am meisten Aufmerksamkeit erreicht haben. Reckes Version von «Mittelreich» ist zu Festivals eingeladen und wird im Mai sogar am renommierten Berliner Theatertreffen zu sehen sein.
Auch dort standen bisher noch nie so viele schwarze Schauspieler und Schauspielerinnen auf der grossen Bühne. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht vor einem ausschliesslich weissen Publikum spielen werden.