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Kürzungen im Kulturbereich Grosse Empörung in der belgischen Kulturszene

Die rechtsnationale flämische Regierung will weniger in Experimente und mehr ins kulturelle Erbe investieren. Damit hat sie die Kulturszene gegen sich aufgebracht.

Das belgische Theater hat international einen hervorragenden Ruf. Auch in der Schweiz findet kaum ein internationales Theater- oder Tanzfestival statt ohne belgische Beteiligung.

Die meisten Künstlerinnen und Künstler kommen dabei aus dem flämischen Teil Belgiens, der seit den 1980er-Jahren für eine zeitgenössische Avantgarde steht und dessen Fördersystem Vorbildcharakter hat.

Flexibles Fördersystem

«Was die Szene so reich und erfolgreich gemacht hat, ist ein flexibles Bottom-up-System: viele kleine Organisationen, die sich um den Nachwuchs und künstlerische Experimente kümmern», erklärt Kristof Blom vom Produktionshaus campo in Gent. Dort haben viele Künstlerinnen und Künstler, die heute international touren, ihre ersten Schritte gemacht.

Die neue flämische Regionalregierung unter Ministerpräsident Jan Jambon will nun aber einen Systemwechsel.

Identität und Ideologie

Jambon, der auch das Amt des Kulturministers besetzt, argumentiert einerseits mit ökonomischer Notwendigkeit. Andererseits ideologisch: Die «flämische Identität» solle gestärkt werden. Er spricht sogar von einem «flämischen Kanon», den er erstellen will.

Der erklärte Opern-Fan schwärmt von den alten Meistern der flämischen Malerei. So sieht er zum Beispiel die grosse Jan Van Eyck-Ausstellung in Gent als ideales Aushängeschild einer flämischen Hochkultur.

In seiner nationalistischen Kulturpolitik lässt Jambon ausser Acht, dass nur mit einer Investition in die Zukunft auch zukünftige flämische Meister und Meisterinnen heranwachsen können.

Über diese Ignoranz schüttelt die belgische Kulturszene derzeit den Kopf. Und geht auf die Strasse gegen die angekündigten Kürzungen.

Kahlschlag der freien Szene

Zwar müssen auch die grossen und mittleren Kulturinstitutionen Subventionskürzungen von drei beziehungsweise sechs Prozent hinnehmen. Bei der freien Szene aber setzt Jan Jambon den Sparstift wesentlich stärker an.

60 Prozent der Projektförderung will er streichen. Damit gefährdet er die Grundlage der Kreativität, die die Szene bis jetzt international ausgezeichnet hat

Proteste und Solidarität

«Durch die absurde Höhe der Kürzungen haben sie es uns ziemlich leicht gemacht, auf die Strasse zu gehen», sagt Karlien Vanhoonacker. Sie arbeitet in einem Community Center in Brüssel, das vielen jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit gibt, ihre Arbeiten zu entwickeln.

Seit der Ankündigung der Kürzungen gibt es viele Protestbekundungen, weit über die Szene hinaus. «Die Solidarität untereinander ist gross. Allen ist klar: Wenn die Kürzungen so durchgezogen werden, verliert die ganze Kulturszene.» Und dies nicht nur in Belgien.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 13.02.2020, 9:03 Uhr

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