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Bühne «Manon» will fliegen

Gelungene Premiere von Jules Massenets Oper «Manon Lescaut» am Theater Basel. In der Titelrolle Maya Boog als ausgemergeltes Fotomodel. Statt in ein Postkarten-Paris versetzt Regisseur Elmar Goerden die Oper in eine korrupte Flughafenwelt und Konsumhölle. Eine geglückte Aktualisierung.

Bei Jules Massenet soll «Manon» ins Kloster gehen. Dabei trifft sie ihre grosse Liebe. Trennt sich aber wegen eines Anderen. Und kehrt zurück, als es schon zu spät ist. Elmar Goerden interpretiert die Weltflucht der Titelfigur, indem er die ganze Oper in eine Flughafenwelt versetzt.

«Manon» will fliegen und ihrem Schicksal entgehen und hat, wie sollte es anders sein, keine Chance.
Legende: «Manon» will fliegen und ihrem Schicksal entgehen und hat, wie sollte es anders sein, keine Chance. T+T Fotografie, Tanja Dorendorf

Manon ist hier keine Landpomeranze wie im Libretto, sondern ein ehemaliges, erfolgreiches Fotomodel. Einen Neuanfang will diese Manon. Sie will abheben. Ihre erst zufällige, dann grosse Liebe «Des Grieux» ist ein Rucksacktourist. Ihr Liebhaber: ein Captain. Die Entourage: Fluggäste, Stewardessen, Sicherheitspersonal.

«Manon» - modern und schlüssig

Das ist alles schlüssig erzählt. Statt des Bistrots im ersten Akt sehen wir einen Snackapparat. Die Jahrmarktsszene findet im Taxfree-Shop statt. Eine für Goerden typische kühle Welt. Doch kommt gerade vor diesem kühlen Hintergrund die hochemotionale Partitur Massenets gut zur Geltung. Goerden entwickelt aus einer Nebenfigur, «Guillot» (hervorragend: Karl-Heinz Brandt) den eigentlichen Drahtzieher der Geschichte. Guillot, ein Dealer und Mädchenhändler im goldenen Trainingsanzug, scheint in diesem Flughafen zu leben.

Maya Boog als «Manon» in einer kalten Flughafenwelt
Legende: «Manon» in einer Welt aus Kälte T+T Fotografie, Tanja Dorendorf

Er kontrolliert ihn und somit auch alle, die hier gestrandet sind. Wie Manon. Ihr Fluchtversuch aus dieser korrupten Flughafenwelt, einer Konsumhölle, scheitert. Als Manon die Wahrheit ihrer Gefühle für Des Grieux erkennt, ist es schon zu spät.

Maya Boog als «Manon» - grossartig ohne Divenhaftigkeit

Maya Boog ist eine überzeugende Manon. Sie changiert zwischen Depression mit leerem Blick und leerer Stimme und Ausgelassenheit und Freude.Trotz stimmlich hervorragender Qualitäten, entsteht in Basel kein Diven-, sondern bestes Ensemble-Theater. Dirigent Enrico Delamboye führt das Orchester zu guter Präsenz, ohne die Sänger zu überdecken. Solide ist Andrej Dunaev als heller, vielleicht etwas zu heldischer Des Grieux.

Elmar Goerdens Version der «Manon» kommt ohne Moralspritze à la 19. Jahrhundert aus. Seine Manon ist kein Luder, sie will einfach frei sein, auch von ihrer Vergangenheit. Und das ist bei aller Liebe leider unmöglich.

Audio
Benjamin Herzog über «Manon»
aus Kultur kompakt vom 08.02.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 17 Sekunden.

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