Wer ist «wir»? Das fragen die 9. Bieler Philosophietage . Mit dem Philosophy-Slam wurden sie eröffnet. Beim Slam ging es nicht nur um Grenzen, aber auch. Um viele verschiedene: um die zwischen Traum und Wirklichkeit, um die Grenzen der Demokratie, um die Grenze zwischen künstlicher Maschinen-Intelligenz und gekünstelter Menschen-Intelligenz.
Die Moderatoren
Wie schon beim ersten Philosophy-Slam vor zwei Jahren in Biel moderierten auch diesmal wieder Anne Baecher, Moderatorin bei Radio RTS und Yves Bossart, SRF-Redakteur und Moderator der Sternstunde Philosophie den Abend.
Die Jury
Die Jury war prominent besetzt mit Sina, Mundartsängerin aus dem Wallis, die von der hohen Musikalität der Slams beeindruckt war. Jürg Halter war – mit viel britischem Understatement in seinen Kommentaren – ebenfalls angetan, haderte aber schon mal mit den Endreimen des Slams. Giancarlo Soldati, Professor für angewandte Philosophie in Fribourg, fand den Gedankengang eines «Roboters» besonders inspirierend, um vergnügt über den Grenzverlauf zwischen Mensch und Maschine nachzudenken.
Die Kandidaten
Dieses Jahr gab es, wie schon beim letzten Philo-Slam in Biel, zwei erste Plätze.
Platz 1: Philipp Reichling
Reichling kam mit einer umwerfenden Performance. Er startete mit seiner Geschichte im antiken Griechenland und endete 2012 auf den Galappagos-Inseln. Eine Tour de Force einmal quer durch die Zeiten. Bei ihm kam die letzte Grenze vor: der Tod.
Ebenfalls Platz 1: Luca Zacchei
Zacchei trat als Roboter auf, Baujahr 2017. Die Grenzen zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz verschwammen in seiner Darbietung immer mehr, verschraubten unterhaltsam und irritierend zugleich die Gehirne bei der Frage: Soll künstliche Intelligenz dem Menschen gehorchen, wenn der sich irrational und unverantwortlich verhält, es den Maschinen aber um den Erhalt der Welt geht?
Platz 3: Pablo Michellod
Michellod fragte in einem durchkomponiert lautmalerischen, wunderbar rhythmisierten Poem danach, was man eigentlich mit den Sinnen erkennen und ob man das ernstlich für die Wahrheit halten könne? Und ob es denn immer so sein müsse, dass die individuelle Wahrheit des Einzelnen für alle gelten müsse?
Lene Morgenstern
«Es gibt da so Tage, da möchte man sein Smartphone töten.» So begann Lene Morgenstern zu erzählen von Tagen, an denen schon mal alles ins Rutschen geraten kann, wenn man über die Welt und die Grenzen in ihr nachdenkt. Morgenstern führte Grenzen ad absurdum, als sie von Südtirol erzählte und dem dortigen italienischen Verdienst bei den Schweizer Preisen. Philosophische Unterhaltungskunst in exorbitantem Tempo.
Méloé Gennai
Gennai bot eine Performance, die sich mit Transgender und Rassismus beschäftigte. Er siedelte seinen Text im aktuellen Kontext von rassistischer Ausgrenzungen an: Zwischen Aufmärschen der wiedererstarkenden Rechten in Europa und in Charlottesville. Wenn «Black Lives Matter» gelte, dann gelte auch «Trans Lives Matter», sagte Gennai.
Ruth Loosli
Ruth Loosli versuchte, Herz und Verstand zusammenzubringen, die seien gerade weit auseinander. Der Verstand habe gerade eine Lebenskrise und dem Herz sei die Anfahrt zu weit und schicke deshalb eine Einladung per Post. Der Verstand mache sich daraufhin auf den Weg, bleibe aber im Tunnel stecken. Ruth Loosli über den verlorenen Verstand.
Till Friedrich
Friedrich geht nicht irgendeiner Frage nach, sondern fragt: «Was ist das Leben?» Was heisst es, zu leben? Sich absichern, Netze spannen, Fäden ziehen? Oder doch mutiger, leichtsinniger sein? Friedrich über das Leben als Seiltanz überm Abgrund.
Seyed Soroush Mirhosseini
Mirhosseini beginnt seine Performance mit dem Satz: «Als Philosoph ist es unsere Aufgabe, Dinge auf den Prüfstand zu stellen.» Genau das macht er und fragt sich, wie es um die Demokratie bestellt sei. Ob die Grenzen habe? Und er packt das in eine Katzengeschichte.
Susanne Grädel
Grädel erzählt von einer jungen Frau, die sei «so weit entfernt von einer Zeit, in der sie lebt. Und doch so nah bei sich selbst.» Eine Geschichte über ein Zeitalter der «Seelenblindheit», wie Grädel das nennt, über Tagträume, aus denen man am liebsten nicht erwacht. Und wenn man aufs Leben schaut, dann mit weit geschlossenen Augen.