Zum Inhalt springen

Reinhardt Stumm «Er hat Klartext gesprochen»

Reinhardt Stumm prägte vier Jahrzehnte lang die Kulturszene der Schweiz. Am Freitag ist der Kulturjournalist 88-jährig in Basel gestorben.

Stumm, in Berlin geboren, war in den frühen 1970er-Jahren Kulturchef bei den Basler Nachrichten, die er nach einem Zwist mit dem Chefredaktor verliess. Danach arbeitete als freier Autor für deutsche Zeitungen und Magazine.

Mann ohne Berührungsängste

Später ging er zum Zürcher Tages-Anzeiger. In den 1980er-Jahren kam er zurück nach Basel, wo er bis zu seiner Pensionierung Feuilletonchef der Basler Zeitung war.

Einer seiner Mitarbeiter war damals für kurze Zeit der frühere SRF-Kulturjournalist Peter Burri. Er erinnert sich an einen erstklassigen Kollegen mit dem Flair auch für das vermeintlich Zweitklassige.

Peter Burri

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Theaterkritiker bei der Nationalzeitung und später Basler Zeitung. Peter Burri schrieb für die FaZ und Die Zeit. 22 Jahre lang hat er die Kulturberichterstattung bei Schweizer Radio DRS 2 mitgeprägt und lange die Kulturredaktion geleitet.

SRF: Haben Sie Reinhardt Stumm als Konkurrenten oder Vorbild wahrgenommen?

Peter Burri: Er war ein Vorbild, weil er eine freche Schnauze hatte, wie man so schön sagt. Er hat Klartext gesprochen. Er war ein Liebhaber des Theaters. Aber auch ein heftiger Kritiker, wenn ihm etwas nicht passte.

Die Theaterleute fürchteten ihn. Er hat immer nur geschrieben, was er wirklich dachte. Da war er schon ein Vorbild. Auch wenn er manchmal übertrieben hat.

Vor allem in Basel und Zürich kam man bei der Zeitungslektüre nicht um Reinhardt Stumm herum. Was machte seine Arbeit aus?

Stumm hat sich ja sein Leben als Werkstudent auch mit Gartenarbeiten und Bell-Würstchen-Auslieferer verdient. Er kannte auch die nicht-intellektuelle Szene.

Er hat sich auch die sogenannte populäre Kultur unter den Nagel gerissen. Ich kann mich erinnern, dass er ein früher Freund und Förderer von Tomi Ungerer war, den wir damals als junge Kulturredakteure ein als Künstler zweite Klasse angesehen haben.

Der Mann hatte keine innere Ruhe. Es drängte ihn, immer etwas Neues zu erfahren.

Stumm propagierte auch die angelsächsische Literatur, nicht nur die dichterische deutschsprachige Literatur. Er war wirklich an allem interessiert – das hat ihn ausgezeichnet.

Stumm schrieb immer wieder auch für deutsche Zeitungen – unter anderem für die Frankfurter Rundschau. Wie wurde er in Deutschland wahrgenommen?

Man kannte ihn sehr gut. Stumm war auch lange Jahre Mitglied der Jury des Berliner Theatertreffens.

Er war immer auf Achse: Er war in Deutschland unterwegs, in der ganzen Schweiz – überall, wo er nur hinfahren konnte. Der Mann hatte keine innere Ruhe, es drängte ihn, immer etwas Neues zu erfahren.

Er war auch in dieser Hinsicht ein Vorbild für uns Kulturjournalisten, weil er kein Büromensch war.

Als Kollege direkt mit ihm zu tun zu haben, war nicht immer leicht.

Er war aber auch streitbar, gefürchtet und nicht immer gerecht.

Das muss man sein, wenn man parteiisch ist. Stumm war parteiisch für das Theater. Aber er war parteiisch für ein Theater, das er liebte und gut fand.

Die Theaterleute sagten: Hoppla, der Stumm ist im Publikum. Aber sie haben auch immer gerne mit ihm diskutiert. Er war ein ebenbürtiger Partner.

Wie haben Sie Reinhardt Stumm persönlich erlebt?

Als Kollege direkt mit ihm zu tun zu haben, war nicht immer leicht. Er war einer, der seine Meinung immer durchsetzen wollte. Aber er hat das auf eine Art getan, die andere auch beflügelt hat.

Das Gespräch führte Vanda Dürring.

Meistgelesene Artikel