Die «Nacht der Rosen» ist ein ikonischer Moment im Trash-TV: Der Bachelor hat die Qual der Wahl und muss entscheiden, welche Anwärterin weiterkommt. Im Finale übergibt er die letzte Rose der Frau, mit der er sich eine Zukunft vorstellen kann.
Diese nicht tot zu kriegende Datingshow hat durchaus etwas Opernhaftes: Es wird sich durcheinander verliebt, es gibt Flirts und Affären, Rivalität und Intrigen und manchmal auch echte Gefühle. Ganz ähnliche Zutaten finden sich auch in Richard Strauss’ «Der Rosenkavalier».
Eine silberne Rose an Sophie
Egal ob im Fernsehen oder im höfischen Wien des 18. Jahrhundert, in dem Richard Strauss’ «Rosenkavalier» spielt: Liebe wird nicht nur gefühlt, sondern gesellschaftlich aufgeführt. Der Höhepunkt im zweiten Akt ist der Moment, in dem der 17-jährige Adelige Octavian, quasi der Bachelor, Sophie eine Rose überreicht. Diese ist nicht rot, sondern silbern und mit persischem Rosenöl benetzt.
Doch einen gewaltigen Unterschied gibt es zwischen der Oper und dem Reality-Format: Der Rosenkavalier Octavian wirbt gar nicht für sich selbst, sondern für den übergriffigen Baron Ochs, der eigentlich um Sophies Hand anhält. Er hatte Octavian beauftragt, ihr die Rose zu bringen. Doch es kommt, wie es kommen muss. Octavian und Sophie verlieben sich.
Eine Komödie im Rokoko-Wien mit schwelgerischer Musik, süffigen Walzern und melancholischen Traum-Szenen – damit eröffnet der neue Intendant des Zürcher Opernhauses Matthias Schulz seine erste Spielzeit: «Es ist ein ausladendes Stück, das dem Publikum psychologische Extremzustände vor Augen führt. Aber es passiert auch unglaublich viel Lustiges.» sagt der Süddeutsche über die Wahl dieser knapp vierstündigen Oper, die 1911 uraufgeführt wurde.
Wechselbad der Gefühle in drei Farben
In der Zürcher Inszenierung verstärken Bühnenbild und Kostüme das Wechselbad der Gefühle. Das Konzept stammt vom österreichischen Künstler Gottfried Helnwein: «Ich fand die Inszenierungen, die ich bisher vom Rosenkavalier gesehen habe, so unglaublich langweilig, konservativ, ganz schrecklich, ich wollte es anders lösen. Farbiger und auch mehr dem Geist des Rokoko entsprechend.»
Helnwein hat jeder Emotion eine eigene Farbe zugeordnet: Gold und Gelb stehen für Reichtum, Blau für die Erwartung und der dritte Akt, in dem sich alle Gefühle überschlagen, ist in Rot getaucht. Das Ganze wird dadurch schrill und modern.
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Bild 1 von 3. Ein goldenes Zeitalter? Die Neuinszenierung des Rosenkavaliers in Zürich bringt das Rokoko-Gefühl auf die Bühne. Bildquelle: Opernhaus Zürich/Matthias Baus.
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Bild 2 von 3. Baron Ochs (Mitte), reich und siegessicher: Er schickt Octavian mit der Rose für Sophie – und hohen Erwartungen. Bildquelle: Opernhaus Zürich/Matthias Baus.
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Bild 3 von 3. Grosse Gefühle, Intrigen und ein üppiger Sound – da kann es einen schon mal umhauen. Bildquelle: Opernhaus Zürich/Matthias Baus.
Nicht nur der Titel «Der Rosenkavalier» wirkt heute altbacken, auch die starren Geschlechterrollen und die Machtordnung rund um den abgehalfterten Adel. Die menschliche Dimension an Strauss' musikalischer Komödie ist aber zeitlos.
Und so hält Hugo von Hoffmannsthals Libretto Zeilen bereit, die man heute getrost auf eine Geburtstagskarte schreiben könnte. Zum Beispiel, wenn die Feldmarschallin, die eine Affäre mit Octavian hat, über das Altern nachdenkt: «Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie.» So poetisch geht es beim TV-Bachelor nicht zu.