Der Regisseur Stephan Müller nennt seine neuste Produktion «a big enterprise». Der Städtetrip mit fünf Spielorten ist wahrhaftig ein logistischer Kraftakt: Das Publikum wird in privaten Bussen von Station zu Station gefahren.
Jeder Halt steht für ein anderes Phänomen, das Max Frisch mit seinem Werk und auch mit seinem eigenen Leben durchdrungen hat. Den Anfang macht die Utopie.
Seiner Gegenwart voraus
In einem Vorlesungssaal der ETH Zürich treten drei grundverschiedene Professoren auf. Sie fragen, welche Zukunft uns bevorsteht. Wie sich Zukunft überhaupt gestalten lässt.
«Liest man die Texte von Max Frisch, ist man verblüfft. Was er 1991 über die Zukunft gesagt hat, ist erstaunlich aktuell», erklärt der Basler und Wahl-Zürcher Stephan Müller. Max Frischs Zukunftsvisionen seien in den fast 30 Jahren seit seinem Tod nicht gealtert, sondern brandaktuell geblieben.
Literarischer Alleskönner
Die Vehemenz und Unbändigkeit von Max Frisch faszinieren den Schweizer Regisseur. «Er war permanent auf Erkundungstour, hat das Zusammenspiel von Ökonomie und Politik hinterfragt, und zwar in einer total unschweizerischen Art», sagt Stephan Müller.
Der Regisseur hat sich durch Frischs Gesamtwerk gelesen und ist beeindruckt von den vielen Registern, die der Schriftsteller zog. Von Prosa bis Dramatik, von Essay bis Pamphlet, vom Fragebogen bis zum Tagebuch. Auch diese Vielfalt bildet der Städtetrip ab.
Verstrickungen im Lustgarten
Ein Spielort ist der Alte botanische Garten in der Zürcher Innenstadt. Die Zuschauerin bekommt Kopfhörer und erlebt, umgeben von knospenden Blüten und Vogelgezwitscher, den ebenso beglückenden wie schrecklichen Kosmos des Begehrens. Max Frisch war ein grosser Bekenner der Liebe – und sehr eifersüchtig.
«Er war in immer wieder anderen Paarkonstellationen unterwegs und verfügt auf diesem Gebiet über eine riesige Erlebnissumme», so Müller. Von ihm könne man lernen, wie die inneren Schaltungen des Menschen funktionieren. «Verliebt sein ist zunächst die unbändige Freude über den eigenen Zustand.»
Stationen eines ganzen Lebens
Alle Stationen des Städtetrips sind mit Max Frischs Laufbahn und Lebensthemen verbunden: An der ETH hat er Architektur studiert. In der Kaserne, die auch seine wehrpflichtige Zeit als Soldat skizziert, geht es um die Schweiz und die Demokratie.
Nach dem Besuch im Liebesgarten geht’s weiter Richtung Stadelhofen, wo Max Frisch gelebt hat. Auf dem Weg Richtung Pfauenbühne, wo er als Dramatiker seine grössten Triumphe gefeiert hat, stellen sich die letzten Fragen zu Leben und Tod.
Man könnte diesen Städtetrip also als integrale Lebensreise bezeichnen. Und sie ist – wie das Leben selbst – tatsächlich «a big enterprise».