Unvergessen Werner Düggelins letzte Inszenierungen in Zürich: nüchtern im Zugriff, konzentriert im Hören auf den Text, durchsichtig, geradezu geometrisch in der Anlage. Stoffe, die jugendfrische Energie mit serener Altersironie verbanden: Georg Büchner, Jacques Brel.
«Ein jedes Leben beginnt man als Eulenspiegel und beendet es als Don Quijote», sagte der Schauspieler André Jung darin. «Und dazwischen tut man, was man kann.» Es klang, als wollte «Dügg» – wie er seinen Namen abkürzte – es von sich selber sagen.
70 Jahre Theaterkarriere
Er glaube nicht ans Erwachsenwerden, meinte dieser Dügg-Brel, «was soll das überhaupt sein, ein Erwachsener?» Und auch das liess sich eins zu eins auf den Regisseur übertragen.
In den fast 70 Jahren seiner Theaterkarriere konnte Werner Düggelin sich seine bubenhafte Frische, seine hochansteckende Lust und Neugierde erhalten. Wenn er einem entgegenkam, leicht vornübergebeugt, wie es grossgewachsenen Menschen oft eigen ist, hätte man ihn allem Ungemach des Alters zum Trotz fast für einen Jungregisseur halten mögen.
Wenn er erzählte, blitzte es aus seinen Augen – zum Beispiel, wie er sich als Student im Zürcher Schauspielhaus unbeliebt gemacht hatte. Er hatte einen Beleuchterjob ergattert, aber weil ihm ein Schauspieler nicht passte – «zu eitel!» – nahm er ihn kurzerhand aus dem Licht.
Der Schauspieler: Will Quadflieg. «Es war eine Katastrophe, wir bekamen 12 Franken pro Vorstellung! Aber der, der mich als Beleuchter rausschmiss, hat mich gleich gefragt, ob ich sein Assistent werden will», erinnerte sich Düggelin.
Seine Eigenwilligkeit zahlte sich aus
Das war Leopold Lindtberg. Auch als Regieassistent hielt Düggelin mit seinen Ideen nicht zurück – «bis mir Lindtberg gesagt hat, es hat keinen Sinn, geh ins Foyer und warte. Da hat er mir dann 500 Franken gegeben, viel Geld, und mich nach Paris geschickt. Ich fuhr noch am selben Abend.»
In einem Pariser Uni-Café kommt Düggelin mit einem Schriftsteller aus dem Vorort Asnières ins Gespräch, dessen Namen heute nur wenige kennen: Jean Lescure. Was machen Sie? «Je suis un metteur en scène.»
Rebellischer Regisseur
In Asnières gibt es einen Gemeindesaal, wo man Theater spielen kann. Bald schon hat Dügg seine erste Truppe: die «Compagnie des Sept». Die weiteren Stationen sind bekannt – Roger Blin in Paris, Regien an deutschen Theatern, auch immer wieder in Zürich.
Von 1968 bis 1975 war er Theaterdirektor in Basel. «Jeans erlaubt, Haarspray verboten», hiess es damals auf den Affichen.
Als die gestandenen Besucher ausblieben, engagierte Düggelin «The Who» für ein Konzert. «Es war eine allgemeine Aufbruchszeit, darum war das nicht so genial von uns. Wir hatten es viel leichter als die, die heute ein Theater leiten. Wer damals nicht auf die Barrikaden ging, war einfach nicht wach. Wir haben gesagt und haben es auch zu 100 Prozent geglaubt: Wir wollen die Stadt verändern.»
Er begeisterte Basler Jugendliche fürs Theater
Als Düggelin nach Basel kam, sassen 0,7 Prozent Jugendliche im Publikum, am Ende seiner Intendanz waren es 34 Prozent. Die Stadt im Theaterfieber.
In seinen Basler Regiearbeiten hat er auch den Stil zur Vollkommenheit gebracht, die minimalistische Präzision und Transluzenz, die ihn bis zuletzt ausgezeichnet hat. In der Nacht auf den 6. August ist Werner Düggelin in Basel verstorben.