«Ein Tiefdruck-Zentrum liegt heute über der Nordsee.» So beginnt der Wetterbericht in der Schweizerischen Filmwochenschau. Am 25. März 1949 sendet die einen Bericht darüber, wie Wetterprognosen entstehen an der Meteorologischen Zentralanstalt in Zürich.
Eine Trouvaille, die zeigt, wie mühselig vor fast 70 Jahren noch Wetterdaten eingeholt werden mussten: Wie sie sozusagen von Hand beschafft wurden, wie Wetterwarte im Gebirg ihre Beobachtungen per Telex oder Telefon übermittelten. Wetterballone stiegen auf, um die Lage in der Höhe zu messen, übermittelt wurde das alles noch per Kurzwellensender.
Und heute?
«Heute steigen noch immer Ballone in die Höhe», sagt Thomas Bucheli von SRF Meteo. «Ich muss wissen, was da oben vorgeht. Das kann alles verändern und ist hier unten gar nicht spürbar.» Bei Meteo arbeiten heute insgesamt 15 Mitarbeiter, 13 von ihnen sind Meteorologen.
Was sich radikal verändert hat, sei die Datenerfassung, sagt Bucheli: «Damals, 1949, hat man alle drei Stunden gemessen, die Daten von einem Ballon alle zwölf und wenn’s besonders spannend war, dann alle sechs Stunden. Heute haben wir globale Wetterdaten in real time.»
Weltweite Daten in real time
Wer die Meteo-Redaktion besucht, bekommt einen Eindruck, was das heisst, globale Daten in real time zu bekommen: Acht Bildschirme sind der Normalfall. An der Börse kann’s auch nicht spannender sein.
Das physikalische Wissen ist seit den Meteorologen in der Wochenschau logischerweise gestiegen. Die Datenbeschaffung ist heute durch neue Technologien wesentlich weiter als damals.
«Satelliten sind heute die wichtigsten Datenlieferanten», sagt Bucheli, «das gab’s damals alles nicht – genausowenig wie Wetterradars.» Aber so wertvoll die Daten auch sind, sie werfen ein Problem auf: Sie müssen erfasst und ausgewertet werden.
Einzelne Menschen können das nicht leisten, dazu sind sogenannte «Modelle» entwickelt worden, salopp gesagt sind das Hochleistungscomputer. Die werten diese Datenflut aus. Wer meint, die nackten Computerresultate seien schon das Wetter, der irrt gewaltig.
«Wetterprognosen brauchen den Mix aus Mensch und Maschine»
Nehmen wir rein hypothetisch an, wir hätten über dem Mittelland und an der bretonischen Küste haargenau dieselbe Grosswetterlage. Für jeden ist nachvollziehbar, dass sich das Wetter an beiden Stellen unterschiedlich entwickeln wird. «Meteorologen müssen die Topographie eines Gebietes kennen wie ihre Westentasche», sagt Bucheli.
Sie müssen interpretieren, wie sich das Wetter entwickeln wird. Da gehört auch Erfahrung dazu. «Wetterprognosen brauchen den Mix aus Mensch und Maschine», sagt Bucheli.
Als Beispiel erzählt Bucheli von einer amerikanischen App, die, sobald sie über dem Mittelland ein Hochdruckgebiet wittert, Sonnenschein meldet. «Die App weiss nichts davon, wie hartnäckig sich hier Nebel halten kann. Das hat eben mit der Topographie zu tun. Das wissen wir aus Erfahrung.»
Wenn Schmetterlinge verdammt viel Wind machen
Ein anderes Missverständnis: Wenn man alle Daten hat, dann prognostiziert man mit hundertprozentiger Sicherheit. Eben nicht! Daten beschreiben immer nur den Status Quo.
Wetter ist ein System aus Wechselwirkungen, hoch komplex, mit einer grossen Anzahl von Parametern. Ändert sich bei nur einem Parameter etwas, hat das einen Einfluss aufs ganze Gefüge. Wetter ist schwer kalkulierbar.
Auch das alte Verständnis, grosse Effekte hätten grosse Wirkungen, muss erweitert werden durch das, was die Systemtheorie mit «Schmetterlingseffekt» bezeichnet. Gemeint ist damit, dass am Amazonas ein Schmetterling mit den Flügeln schlägt und tausende Kilometer entfernt eine gigantische zeitversetzte Wirkung die Folge ist. Aber auch nicht immer.
Das lineare Verständnis von Ursache und Wirkung muss heute ersetzt werden, durch ein Verständnis komplexer Wechselwirkungen in einem veränderlichen System.
Meteorologen sind Zukunftsforscher, die mit immer besseren Modellen der Unberechenbarkeit der Natur zu Leibe rücken. Aber Daten sind nicht eindeutig. Interpretieren müssen sie Menschen. «Der Mensch ist der Mehrwert und nicht ersetzbar», sagt Bucheli.