Höhe- und Schlusspunkt der neusten «Der Bestatter»-Episode «Die herzlose Leiche» war ein Feuergefecht zwischen der Aargauer Kantonspolizei und dem Bösewicht Sebastian.
Kulisse dieses Showdowns war ein knorriger Baum: Die Linde von Linn. Ein Baum mit eigener Website. Deren Server brach nach der Ausstrahlung der dritten Episode von «Der Bestatter» ob dem Ansturm Interessierter zusammen.
Nun, die Linde von Linn ist ja auch nicht irgendein beliebiger Vertreter der Familie der Malvengewächse. Sondern einer der ältesten Bäume der Schweiz.
Ein Mönch oder die Pest
Es gibt verschiedene, einander konkurrenzierende Sagen über sein Alter. Eine besagt, dass der Mönch Gallus die Linde im 6. Jahrhundert gepflanzt hat. Damit wäre sie 1700 Jahre alt – Weltrekord unter den Linden und Nonsens für alle Biologen.
Ernstzunehmender als mögliches Pflanzdatum wäre das 14. Jahrhundert. Etwa 1348 im Zusammenhang mit einer Pestepidemie: Die Überlebenden begruben ihre Toten ausserhalb des gleichnamigen Dorfes und pflanzten darauf eine Linde.
Schicksalhafter Schatten
Auch 1415 käme in Frage: Damals endete die Macht der Habsburger und die der gnädigen Herren aus Bern begann. Darauf bezieht sich auch der Orakelspruch:
«Leit d’Linde-n-ihr’s Chöpfli ûfs Ruedelis Hûs, se-n-isch’s mit alli Welten ûs.»
Was bedeutet: Spätestens wenn die Linde so gross ist, dass sie ihren Schatten auf die Habsburg wirft, dann ist die Zeit der österreichischen Macht vorüber. Was für den Spruchdichter damals gleichbedeutend mit dem Weltuntergang war.
Quelle der Inspiration
Gemäss mathematischer Berechnung geschieht ein solcher Schattenwurf zweimal im Jahr. Gegenwärtige Bewohner der Habsburg wollen das selber nie erlebt haben. Kunststück: Wenn der Schattenwurf bei Baueinsprachen schon in Bezug auf das Nachbarhaus oft zum Streitfall wird, wie zuverlässig kann das bei einem Baum beurteilt werden, der vier Kilometer Luftlinie entfernt liegt?
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Viele der Geschichten, Sagen und Mythen um die prächtige Linde von Linn würden einem Wahrheitscheck kaum standhalten. Sie zeigen aber eines: Die Linde ist eine Quelle der Inspiration. Auch für die Autoren von «Der Bestatter». Und längst nicht nur Esoteriker nehmen diesen Baum als Kraftort wahr. Der Blick schweift in drei Himmelsrichtungen, so weit wie nirgends sonst im Aargau erscheint der Horizont.
Ortsangabe ohne Ortschaft
Ist die Linde von Linn also eine mehrhundertjährige Erfolgsgeschichte? Ganz und gar nicht. Schon beim alliterativen Namen fängt es an. Fünfzig Prozent davon sind nämlich ein Phantom.
Die Gemeinde Linn gibt es nicht mehr, sie verschwand per 1. Januar 2013 von der Landkarte . Der Ortschaftsname fiel einer Gemeindefusion zum Opfer. Und es gab als Resultat davon einiges an bösem Blut unter den Bewohnern und Bewohnerinnen am beschaulichen Bözberg, auf dem die Linde steht. Der Verein «ProLinn» hat es sich auf die Fahne geschrieben, die Geschichte dieser Ortschaft nicht untergehen zu lassen.
Ein Aufhänger für die Zukunft
Der Verlust von Ortschaftsnamen und der damit verbundenen Identität schmerzen zwar immer noch, die Initianten betonen aber Gegenwart und Zukunft – die Linde ist da ein prima Aufhänger.
Der nächste mögliche Zwist wird dann wohl weit über die Region hinausreichen. Denn die Nagra prüft zurzeit das Potenzial des Bözbergs als Endlager für Atommüll. Hoffentlich bleibt obiger Orakelspruch um Linde, Schatten, Habsburg und Weltuntergang im Reich der Legenden.